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Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Titel: Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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Schulter tippte.
    »Das würden Sie vielleicht gerne behalten.« Er hielt ihr ein A-4-Blatt hin. »War im Kopierer.«
    Er grinste und blinzelte ihr zu, bevor er sich wieder umdrehte, um seinem Kollegen zu helfen. Dóra musterte das Blatt. Obwohl das Bild fast schwarz war, konnte man eindeutig erkennen, was der Kopierer abgelichtet hatte. Die Person, die sich übergeben hatte, hatte sich auf dem Gerät abgestützt und war genau im richtigen Moment an den Startknopf gekommen. Dóra inspizierte das unscharfe, dunkle Bild. Bella! Natürlich, wer sonst? Sie marschierte los und wollte sich auf die Sekretärin stürzen, aber die war spurlos verschwunden. Offenbar konnte sie sich doch schnell bewegen, wenn es nötig war.
    Triumphierend stürmte Dóra mit dem Beweisstück in der Hand in ihr Büro. Eins war klar – wenn Bella zurückkam, konnte sie was erleben. Bis dahin musste Dóra versuchen, ein wenig zu arbeiten. Es war schwierig, sich auf die tägliche Arbeit zu konzentrieren. Die Geschichte mit der Yacht war äußerst merkwürdig, und die hohe Lebensversicherung machte das Ganze noch merkwürdiger. Schwere Regentropfen schlugen gegen das Bürofenster, und Dóra versuchte sich vorzustellen, was für ein Gefühl es wäre, bei Unwetter auf einem Schiff eingesperrt zu sein. Sie spürte, wie sich die Haare auf ihren Unterarmen aufrichteten. Man sprang von Bord und kämpfte mit dem Ertrinken, obwohl man wusste, dass keine Hilfe in Sicht war. Sie hoffte, dass die Leute irgendwo da draußen auf dem Meer lebend in einem Rettungsboot gefunden würden. Wenn nicht, waren sie zweifellos auf schreckliche Weise gestorben.
    Dóra drehte sich zum Bildschirm. Ihre anderen Fälle konnten eine halbe Stunde warten. Sie wollte sich noch einmal die Meldungen über die Yacht anschauen. Während sie das Internet durchforstete, fiel ihr ein, dass sie vergessen hatte, dem Ehepaar eine wichtige Frage zu stellen: Warum hatte ihr Sohn diese Fahrt überhaupt gemacht und dazu noch seine Familie mitgenommen? Es war noch Winter, und Motorboot-Touren waren nicht besonders spannend, selbst wenn es sich um eine Luxusyacht handelte. Und warum ließ der Untersuchungsausschuss einen Mitarbeiter auf Kosten der Bank mit seiner Familie Urlaub machen? Da stimmte doch was nicht.

2. Kapitel
    Es war nicht das erste Mal auf der Reise, dass Ægir das Gefühl hatte, am falschen Ort geboren zu sein – es musste ein Fehler sein, dass er sich die meiste Zeit seines Lebens gegen die isländische Kälte einmummeln musste. Obwohl es in Lissabon kühl war, ließ sich das nicht mit dem winterlichen Island vergleichen, und er genoss es, in dünner Kleidung durch die Straßen zu wandern. Unter seinen Füßen waren weiße Pflastersteine, wie auf allen Bürgersteigen der Stadt, und es war komischerweise angenehm, über den ungleichmäßigen Boden zu gehen. Seine Frau Lára würde ihm da wohl nicht zustimmen, denn sie stolperte auf hohen Absätzen neben ihm her und war vollauf damit beschäftigt, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Sie spazierten durch die engen, steilen Gassen der Altstadt, die lange vor der Zeit des Automobils entstanden war. Fast hätten sie sich verlaufen, aber sie wussten, dass sich der Platz, den sie suchten, unten am Fluss befand. Sie mussten nur hangabwärts gehen.
    »Beeilt euch, Mädchen! Wir kommen zu spät. Ich bin in zehn Minuten mit dem Mann verabredet.«
    Die beiden legten einen Schritt zu, aber für achtjährige Mädchen sind zehn Minuten eine Ewigkeit und kein Grund, in Hektik zu verfallen. Arna gab wie üblich den Ton an – sie war als Erste zur Welt gekommen. Obwohl es natürlich Zufall war, in welcher Reihenfolge Zwillinge geboren wurden, hatte Ægir oft den Eindruck, dass die beiden schon im Bauch ihrer Mutter eine Vereinbarung getroffen hatten. Arna ging meist forsch und neugierig voran, während Bylgja verschlossen und in sich gekehrt war. Sie hielt oft inne und begutachtete eine Situation ausgiebig, um nicht Gefahr zu laufen, in dieselben Schwierigkeiten zu geraten wie ihre Zwillingsschwester. Äußerlich waren sich die beiden jedoch zum Verwechseln ähnlich, und wenn Bylgja keine Brille getragen hätte, wäre es für Fremde nahezu unmöglich gewesen, sie auseinanderzuhalten.
    »Wie viele Steine sind in diesem Bürgersteig, Papa?«, fragte Bylgja und schaute auf den Boden, während sie hinter ihrer Schwester herlief.
    »Das weiß ich nicht, Schatz. Eine Million und sieben. So was in der Richtung.«
    Ægir hätte die vielen Steine
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