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Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Titel: Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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gefahren war, man brauche lediglich jemanden, um die Vorschriften über die Mannschaftsgröße zu erfüllen, der Schein habe sowieso nichts zu sagen und die fehlende Erfahrung auch nicht. Ægir sei ja schließlich nicht als Kapitän, Steuermann oder Schiffsmechaniker an Bord.
    Als Ægir sich durch den Sportbootführerschein gequält hatte, hatte er sich wirklich nicht vorgestellt, einmal Ersatzmann an Bord einer Motoryacht zu sein. Er träumte hingegen schon lange davon, sich an einem kleinen Segelboot zu beteiligen. Aber das musste warten, da ihre Gehälter immer nur bis zum Monatswechsel reichten. Sie hatten zwar ein bisschen gespart, aber das war für den spontanen gemeinsamen Winterurlaub in Lissabon draufgegangen. Und da war von einer Schiffstour noch keine Rede gewesen.
    Dem Kapitän waren dann gewisse Zweifel gekommen, als er gehört hatte, dass Ægirs Familie dabei war. Doch zu dem Zeitpunkt war Ægir schon ganz begeistert von der Sache gewesen, da er kaum noch einmal die Gelegenheit bekommen würde, auf einer Luxusyacht über die Weltmeere zu schippern. Zudem löste die Fahrt gewisse Probleme, vor denen er sich gefürchtet hatte. Deshalb hatte er dem Kapitän als Bevollmächtigter des neuen Besitzers der Yacht verkündet, so würde es gemacht und damit basta.
    In der Zwischenzeit hatte Ægir seinen Chef darüber informiert, dass er selbst dabei helfen würde, den Kahn nach Hause zu bringen. Der Mann war zwar ziemlich unkonzentriert gewesen, als er ihm grünes Licht gegeben hatte, und auf die finanzielle Seite der Sache gar nicht eingegangen, aber er war ja auch höhere Beträge gewohnt als diesen. Sie hatten nur ein paar Minuten miteinander telefoniert, offensichtlich warteten andere, dringendere Aufgaben auf seinen Chef, und er war überhaupt nur ans Telefon gegangen, weil er wissen wollte, wie es mit der Ummeldung der Yacht gelaufen sei. Er hatte Ægir mitten im Satz abgewürgt und gemurmelt, sie würden sich dann sehen, wenn er aus Spanien zurück sei. Er wusste also noch nicht mal, wo Ægir die Yacht abholte. Geschweige denn, dass er seine Frau und seine Töchter mitgenommen hatte.
    Als Ægir an die Ignoranz seines Chefs dachte, verstärkte sich die merkwürdige Angst vor der Fahrt. Eigentlich sollte er sich darauf freuen, wie Arna. Gestern Abend waren sie beide ganz aufgeregt gewesen, während Lára und Bylgja die Neuigkeit gelassener aufgenommen hatten. Lára machte sich Sorgen darüber, dass sie nicht richtig schwimmen konnte, und Bylgja wollte nicht sagen, was sie von der Sache hielt. Doch am Ende hatte Lára sich mitreißen lassen und war jetzt die treibende Kraft für die Organisation der Tour. Sie wäre sehr enttäuscht, wenn nichts daraus werden würde. Ægir musste diese Angst überwinden, vor allem jetzt, wo er dem Kapitän persönlich gegenübertreten sollte. Er gab sich einen Ruck.
    »Also dann, beeilen wir uns. Der Kapitän wartet bestimmt schon«, sagte er und erntete einen weiteren verwunderten Blick von seiner Frau und seinen Kindern wegen der schnellen Meinungsänderung. Aber sie sagten nichts und gingen los.
    Als sie sich dem schönen Platz näherten, von dem Ægir gelesen hatte, er sei der größte in Europa, begrüßte sie ein warmer Windhauch. Er erinnerte an den Frühling, der in diesen Breitengraden kurz bevorstand, und Ægirs Zweifel verpufften. Vor ihm glänzte das unschuldige, glatte Meer und schien ihm zu versichern, dass alles in Ordnung sei. Was sollte schon passieren? Er musste lächeln – woran hatte er nur gedacht? Es würde ein Abenteuer werden, und er war schon mit cholerischeren Männern als diesem Kapitän klargekommen. Bei der Bank galt er als guter Vermittler, weshalb er auch hergeschickt worden war, um die Sache mit der Yacht abzuwickeln. Die letzten beiden Tage hatte er in verschiedenen portugiesischen Büros verbracht, um ausstehende Hafengebühren zu bezahlen, Genehmigungen zu beschaffen und Unterlagen zu übergeben, die den Besitzerwechsel bestätigten.
    Jenseits des Flusses breitete Jesus Christus über der Stadt die Arme aus. Es handelte sich um eine Kopie der Statue in Rio, und obwohl sie kleinere Proportionen hatte, war sie durch ihren hohen Sockel ziemlich beeindruckend.
    »Sieh mal, Papa! Da ist wieder Jesus«, rief Arna und zeigte auf die Statue.
    Bylgja schirmte ihre Augen mit der Hand ab und betrachtete schweigend das Kunstwerk. Sie war ganz fasziniert gewesen, als ihre Mutter erzählt hatte, Jesus passe auf die Menschen und Tiere in der Stadt auf.
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