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Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Titel: Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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besser nicht erwähnt, als sie im Hotel losgegangen waren. Er hätte wissen müssen, dass seine Tochter sich darauf versteifen würde. Aber dass sie wirklich versuchen würde, die kleinen Pflastersteine zu zählen, hatte er nicht gedacht.
    »He, da ist er!« Lára zeigte in eine Seitenstraße. »Es kann nicht so viele große Plätze in dieser Stadt geben.«
    Die Mädchen trotteten los, als hätten sie nur auf diesen Moment gewartet. Sie waren ihrer Mutter unglaublich ähnlich. Dunkles, lockiges Haar, grünliche Augen, große Schneidezähne. Ihr Körperbau und sogar ihre Hände waren wie kleinere, zierlichere Ausgaben von Lára.
    Plötzlich überkam Ægir Trauer – Trauer über etwas, das er nicht festmachen konnte, etwas, das hinter der nächsten Ecke lauerte, vielleicht auf dem imposanten Platz am Ende der Straße. Vielleicht war es auch nur die Gewissheit, dass das Leben in diesem Moment vollkommen war, dass es nicht mehr besser werden konnte und von nun an abwärts gehen würde. Er wollte diesen Augenblick nicht loslassen.
    »Sollen wir es nicht einfach lassen?«, fragte er.
    »Was?«, entgegnete Lára mit verwundertem Gesicht. »Was meinst du?«
    Ægir bereute seine Frage bereits. Und zugleich auch nicht.
    »Ich meine, ob wir unseren Urlaub hier nicht einfach verlängern und uns nicht um diese Schiffstour kümmern sollen. Die brauchen mich im Grunde gar nicht. Das mit der Besatzung lässt sich auch anders regeln.«
    Seine Stimme klang merkwürdig, und er wusste nicht, woher dieser Ton kam. Vor ein paar Minuten hatte er sich noch auf die Fahrt gefreut und sie für ein Geschenk des Himmels gehalten, doch jetzt sehnte er sich danach, weiter festen Boden unter den Füßen zu haben. Auch wenn die Yacht luxuriös war, gab es an Bord nur begrenzten Platz. Hier fühlten sie sich wohl, an jeder Ecke gab es kleine Restaurants und Cafés und zahllose Unterhaltungsmöglichkeiten. Was sollten sie auf der Yacht? Karten spielen? Er wollte diese helle Stadt, die von innen zu leuchten schien, nicht verlassen. Wohin man auch schaute, überall sah man helle, fröhliche Farben, die gute Laune machten. Geflieste Hauswände in Pastellfarben, die er sonst noch nirgendwo gesehen hatte. Hier konnte es einem doch eigentlich nur gutgehen. Draußen auf dem Meer würden sie vielleicht die ganze Zeit seekrank über der Reling hängen. Was hatte er sich nur dabei gedacht, sich zur Verfügung zu stellen, nachdem sich herausgestellt hatte, dass ein Mannschaftsmitglied ausfiel? Warum hatte er nicht einfach nein gesagt und war nach Hause geflogen, wie ursprünglich geplant?
    Seine Frau und seine Töchter starrten ihn an. Er meinte, einen Hauch von Verständnis in Bylgjas Augen zu sehen, aber ihre Brille war wie üblich verschmiert, und er durfte diesen Glanz, den er zu sehen meinte, nicht so ernst nehmen. Sie wandte ihren Blick von ihm ab, schaute wieder auf den Boden und zählte weiter Steine.
    »Willst du nicht mit dem Schiff fahren, Papa?«, fragte Arna und rümpfte die Nase. »Ich hab schon auf Facebook gepostet, dass wir mit dem Schiff nach Hause fahren.«
    Als ob das ein Grund wäre, ihre Pläne nicht zu ändern.
    »Ach, ich meine ja nur«, murmelte er.
    Vielleicht fürchtete er sich davor, den Kapitän zu treffen. Ihr gestriges Telefonat war nicht gut verlaufen, da Ægir hellhörig geworden war, als er erfahren hatte, dass die Kosten für die Überführung der Yacht nach Island wesentlich höher ausfallen würden als geplant. Er trug die Verantwortung dafür und wollte seinem Chef nicht mitteilen müssen, dass man jetzt auch noch einen wesentlich teureren einheimischen Ersatzmann einstellen musste, weil ein Mannschaftsmitglied ausgefallen war. Er hatte sich aufgeregt, als er von den Gehaltsvorstellungen potentieller Ersatzleute gehört hatte, aber der Kapitän hatte ihm unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass die Leute in Portugal nicht Schlange stünden, um mal eben eine Tour in den Norden an den Arsch der Welt zu machen. Er konnte sich nicht mehr erinnern, zu welchem Zeitpunkt des Telefonats er vorgeschlagen hatte, selbst einzuspringen. Jedenfalls hatte er überhaupt nicht damit gerechnet, beim Wort genommen zu werden, obwohl er es halbwegs gehofft hatte. Der Kapitän war auf den Sportbootführerschein angesprungen, den Ægir besaß, und hatte dessen Versuche, sich doch wieder herauszureden, in den Wind geschlagen. Er hielt es für nebensächlich, dass Ægir bisher nur in der Nauthólsvík-Bucht vor den Toren von Reykjavík
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