Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesritual: Thriller (German Edition)

Todesritual: Thriller (German Edition)

Titel: Todesritual: Thriller (German Edition)
Autoren: Nick Stone
Vom Netzwerk:
eingefallene Dach wehte, um seinen Körper. Auf das Hemd waren goldene Vögel gedruckt.
    Eldon kannte ihn nicht. Was zum Teufel wollte der? In den letzten acht Jahren hatte er hier nicht einen einzigen Besucher gehabt.
    Nicht einen.
    Wie ein Penner sah der Bursche nicht aus. Dafür war seine Kleidung zu gut und sein Haar zu kurz.
    Vielleicht wollte er boxen lernen.
    Wie wäre es damit?
    Eldon dachte darüber nach. Wann hatte er zum letzten Mal einen Grünschnabel auf die Probe gestellt? Konnte er das noch – in seinem Alter?
    Der Impuls durchfuhr ihn wie ein warmer, belebender Schauer, und er lachte leise in sich hinein.
    Er musterte den Jungen. Bestenfalls vierzehn. Und ein Weichling. Die Gesichtszüge noch immer glatt wie Babyspeck, keine Kanten, wenig Charakter. Bis auf den Mund. Herrgott, küssen konnte der wohl nicht! Wo zum Teufel hatte er das denn her? Den Kämpfer sah er jedenfalls nicht in ihm, nicht richtig – gar nicht. Ein Boxhieb, und der Knabe würde tot umfallen. Je länger Eldon ihn anschaute, umso weniger sportliches Potenzial konnte er an ihm entdecken. Er hatte die Größe eines Basketballspielers, war aber kein bisschen robust. Zu lahm, zu ausgemergelt, zu schwach.
    Dann, als hätte der Junge Eldons Gedanken gelesen, drehte er sich um und ging in Richtung Tür.
    Er wollte abhauen.
    Das durfte er nicht.
    Noch nicht.
    Eldon erhob sich, so schnell er konnte. Er musste den Neger abfangen, bevor er weg war.
    Er riss die Bürotür auf.
    »Warte!«
    Der Junge drehte sich um und betrachtete Eldon, der ihm über den staubigen Fußboden entgegeneilte.
    »Elton Booorns?« Er sprach mit starkem hispanischem Akzent. Frisch vom Boot gesprungen, vermutete Burns, wahrscheinlich Kubaner, auch wenn die in letzter Zeit immer weniger geworden waren.
    Eldon nickte, und während er auf ihn zuging, sah er, wie der Blick des Jungen durch den Raum wanderte, ohne ihn je ganz aus den Augen zu lassen. Er war aufgeweckt und sehr schnell. Eldon hätte wetten können, dass er sehr gute Reflexe hatte.
    Er beschloss, sich den Spaß zu gönnen und dem Neger die gleiche Behandlung zuteil werden zu lassen wie jedem Grünschnabel, der durch diese Türen trat und Boxer werden wollte. Früher hatte Eldon eine ganz eigene – und legendäre – Methode gehabt, die, die es ernst meinten, von den ernsthaft Verwirrten zu unterscheiden.
    »Was willst du?« Eldon war vor ihm stehen geblieben. Er war nur ein Junge – ein gutes Stück größer als er, der Kopf zwei Nummern zu groß für den ausgemergelten Körper. Und Eldon konnte nicht aufhören, ihm auf den Mund zu starren, auf jenen wild gewachsenen Wust aus Fleisch unter seiner Nase.
    »Willst du Boxer werden? Quieres ser boxeador? «
    Der Junge nickte.
    »Wie heißt du?«
    »Osso.«
    »Osso? Woher kommst du? Aus Kuba?«
    Osso antwortete nicht. Wahrscheinlich ein Illegaler, dachte Eldon. Wie Frankie damals.
    »Aus deinem Land kommen viele gute Boxer, weißt du das? Die besten Amateurboxer der Welt. Los mejores boxeadores son cubanos .«
    Da lächelte der Junge, und sein Lächeln war ein furchtbarer Anblick, wie ein gerade überfahrenes Tier auf dem Freeway. Keine Zähne zu erkennen. In gewisser Weise, dachte Eldon, keine schlechte Voraussetzung. Von Nahem erkannte er, dass er sich geirrt hatte. Der Bursche war jung, aber längst kein unbeschriebenes Blatt mehr. Und viel zu verlieren hatte er bei dem Gesicht nicht. Seine Nase war schon platt, und über seine rechte Wange liefen parallel zueinander zwei tiefe Narben. Vielleicht konnte Eldon etwas für ihn tun, ihn zu einem von den beiden Studios schicken, die von Boxern geleitet wurden, die früher bei ihm trainiert hatten.
    Aber zuerst musste er wissen, wie sehr Osso boxen wollte, wie entschlossen er war. Zuerst musste der Junge den Test bestehen.
    »Okay, Osso. Ich sage dir jetzt, was ich von dir will«, sagte Eldon. »Ich will, dass du mich ins Gesicht schlägst.«
    Verwirrt starrte Osso ihn an.
    So reagierten die Neulinge am Anfang immer, das hatte nichts zu bedeuten. Auf die nächste Reaktion kam es an.
    »Schlag mir ins Gesicht. Ich meine es ernst«, sagte Eldon. Osso rührte sich nicht. Er blickte verwundert drein.
    Dann dachte Eldon, dass der Neger ihn vielleicht nicht richtig verstand, also ballte er die Hand zur Faust und sagte es auf Spanisch: »Golpéame en la cara. Da me tu mejor golpe. Vamos, cabrón!«
    Das kam an. Eldon sah es in seinen Augen. Etwas rührte sich darin, als wäre ein Schatten über sein Gehirn
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher