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Todesriff

Todesriff

Titel: Todesriff
Autoren: Manuela Martini
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stand eine halb ausgeräumte Reisetasche, im Schrank lagen zwei T-Shirts, die sowohl einem Mann als auch einer Frau gehören konnten, zwei Shorts, Unterwäsche. Im Bad entdeckten Shane und Tamara Zahnpasta, Zahnbürsten, Cremes, Duschgel. Die Betten waren gemacht; das Bad war geputzt.
    „ Und jetzt?” Tamara
sah sich stirnrunzelnd im Zimmer um.
    Shane
ließ sich auf den Stuhl sinken, der nahe am Fenster vor einem schmalen, polierten Holztisch stand. Jetzt spürte er die Erschöpfung. Fast dreißig Stunden hatte er nicht geschlafen. Drei Morde hatte Weinheimer bereits begehen können, ohne dass sie es hatten verhindern können. Jetzt, da sie sogar das vierte Opfer namentlich kannten und wussten, wie es aussah und mit wem und wo es sich aufhielt, wäre ein Versagen völlig u
nmöglich
. Dann würde er für die nächsten Jahre jeden öffentlichen Auftritt und die Überantwortung eines wichtigen Falls vergessen können – abgesehen von der persönlichen
Niederlage. Und dann sah er immer wieder das montierte Foto vor sich, mit dem Weinheimer ihn erpressen wollte. Es war Weinheimer, nicht er, Shane, der einen persönlichen Kampf zwischen ihnen angefangen hatte.
    Unten auf der Straße luden zwei Männer Angelrouten in den Kofferraum ihres Autos.
    „ Hast du schon ma l gefischt?”, fragte er Tamara, „d abei kommt es darauf an, dass man den Köder besonders schön und lebensecht herrichtet. Aus bunten Federn oder zappelnden Shrimps - damit es so aussieht, als hinge genau der Leckerbissen am Haken, auf den der Fisch, den man fangen möchte, es schon sein Leben lang abgesehen hat.”
    Tamara
s
ah
ihn fragend an
.
    „ Jetzt werfen wir den Köder aus.”
    Noch immer schien Tamara ihn nicht verstanden zu haben.
    „ Das Fernsehen”, fuhr er fort, “ist unser
Köder
, warte .”
    Sie schalteten das altmodische Gerät auf dem Tisch an. In den Acht-Uhr-Nachrichten wurde wieder Steves Bild veröffentlicht. Man forderte ihn auf, sich dringend bei der Polizei zu melden, und fügte hinzu, dass er sich wahrscheinlich in Kuranda aufhalte. „So, Weinheimer wird herkommen, ganz sicher.“
    Tamara lief unruhig im Zimmer auf und ab. Der glänzende Dielenboden knarrte. Shane sah zum Fenster hinaus auf die Coondoo Street, auf der inzwischen - es war gleich neun Uhr - Touristen flanierten
ohne Eile, einige
Autos
fuhre
n
vorbei
. Überleben am Riff bedeutet Kampf mit allen Mitteln, überlegte Shane: Täuschung, Verrat.
Manche
Fische haben auf ihrer Schwanzflosse einen dunklen Fleck, der aussieht wie ein Auge, sodass der Feind dort den Kopf vermutet und auf der falschen Seite angreift. Der Tintenfisch stößt dunkle Farbe aus, wenn er flieht, und nimmt so dem Feind die Sicht. Andere Fische hüllen sich nachts, wenn sie schlafen und ungeschützt sind, in eine Schleimblase, durch die ihr Geruch nicht nach außen dringt und die die Ortungsorgane ihrer Feinde täuscht. Wieder andere Fische geben sich als Putzerfische aus, die die größeren Fische von Parasiten befreien. Wenn sie ihnen nah genug gekommen sind, fressen sie nicht die Parasiten, sondern reißen ihrem “Kunden” Fleischfetzen heraus.
    „ Wir wissen
noch
nicht hundertprozentig, ob in diesem Guesthouse tatsächlich Steve und Annabel wohnen”, unterbrach Tamara seine Gedanken. „ Die zwei T-Shirts hier und eine Eintragung ins Gästebuch - das sind doch keine echten Beweise!”
    „ Tamara”, erwiderte er u nd wandte sich vom Fenster ab, „ inzwischen wette ich sogar, dass Steve und Annabel nicht hier wohnen.”

    Er warf
die Unterwäsche
aufs Bett. „ Glaubst du im Ernst, dass eine Frau wie Annabel Bailor so
etwas
trägt?”
    Tamara betrachtete die schwarzen und roten Spitzentangas und BHs.
    „Wieso denn nicht? Nur weil si e billig aussehen und sie eine Millionärin ist?“
    Er machte eine wegwerfende Handbewegung. „Vergiss es Tamara, ich glaube einfach, dass die beiden nicht blö d sind ...“
    „ Aber wenn Steve und Annabel nicht hier sind, wieso hat uns dann Greg McInnes den Bären aufgebunden?” , fragte Tamara nachdenklich.
    „ Ganz einfach: Er weiß nicht, dass es ein Bär ist”, antwortete Shane. „um es mal so auszudrücken.“
    „ Du meinst”, begann sie langsam, “Annabel hat Greg benutzt, um uns auf eine falsche Fährte zu locken?”
    „Ich glaube, sie ist ziemlich raffiniert. Sie hat uns – und vor allem Weinheimer gelinkt.
Er
soll glauben, dass Steve in Kuranda ist! Und wir wollen Weinheimer schnappen. Also warten wir hier auf ihn.
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