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Todesregen

Todesregen

Titel: Todesregen
Autoren: D Koontz
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streichelte ihm gern über Arme, Schultern, Brust. Er fühlte sich so fest und zuverlässig an.
    Sein Charakter passte zu seinem Körper. Molly konnte sich immer auf ihren Mann verlassen.
    Manchmal, wenn sie ihn beiläufig, mit unschuldiger Absicht, berührte, entstand daraus eine Leidenschaft, die so mächtig war wie der Donner, der auf einen Blitz folgt.
    Er war immer ein selbstsicherer, aber ruhiger Liebhaber gewesen, geduldig und fast scheu. Da Molly in dieser Hinsicht aggressiver war, ging die Initiative meist nicht von ihm, sondern von ihr aus.
    Auch nach sieben Jahren war sie von ihrer Kühnheit gleichermaßen überrascht und entzückt. So hatte sie sich gegenüber keinem anderen Mann verhalten.
    Selbst in dieser verstörenden Nacht, in der ein merkwürdig leuchtender Regen aufs Dach prasselte, wurde Molly vom Anblick ihres Mannes leicht erregt. Versonnen betrachtete
sie sein zerzaustes Haar, sein wohlgeformtes, von Bartstoppeln bedecktes Gesicht, seinen Mund, der so zart war wie der eines Jungen.
    Er wischte sich mit den Händen übers Gesicht, als wollte er die Spinnweben des Schlafs zerreißen. Als er den Kopf hob und Molly anschaute, sahen seine blauen Augen ein wenig dunkler aus als sonst, fast wie Saphir. In diesem Blau bewegten sich spinnenartige Schatten, wohl die Erinnerung an seinen Traum.
    »Alles in Ordnung?«, wiederholte Molly.
    »Nein.« Seine Stimme war rau, als wäre er durstig und erschöpft von einer hektischen Jagd durch die Gefilde des Schlafs. »Du lieber Himmel, was war das denn?«
    »Was meinst du?«
    Er stand auf. Jeder Muskel seines Körpers war straff und verkrampft. Offenbar hatte der Traum ihn angespannt wie ein zu stark aufgezogenes Uhrwerk.
    »Du hattest einen Albtraum«, sagte sie. »Ich hab dich im Schlaf schreien hören.«
    »Das war kein Albtraum. Etwas Schlimmeres.« Angstvoll und verwirrt ließ er den Blick durchs Zimmer schweifen. »Dieses Geräusch … «
    »Regen«, sagte sie und deutete aufs Fenster.
    Neil schüttelte den Kopf. »Nein. Nicht nur Regen. Da ist etwas dahinter … darüber.«
    Sein Verhalten brachte Molly noch mehr durcheinander. Er sah aus, als wäre er halb in Trance und nicht in der Lage, seinen Albtraum ganz abzuschütteln.
    Er schauderte. »Da kommt ein Berg herab.«
    »Ein Berg?«
    Neil legte den Kopf in den Nacken und betrachtete mit offenkundiger Nervosität die Schlafzimmerdecke. »Ein riesenhafter Berg«, sagte er mit einer Stimme, die nicht mehr rau klang, sondern eine sanfte, ernste Intensität hatte. »In meinem Traum. Gewaltig. Ein Berg aus pechschwarzem Fels,
der langsam herabstürzt. Man läuft und läuft … aber man kann ihm nicht entrinnen. Man sieht seinen Schatten immer größer werden, viel schneller, als man vorwärtskommt. «
    Die leisen Worte zerrten an Mollys Nerven, scharf wie das Plektrum eines Harfenspielers.
    Um der Sache einen heiteren Anstrich zu geben, sagte sie: »Aha. Einer dieser Träume, bei denen einem der Himmel auf den Kopf fällt. «
    Neil starrte immer noch an die Decke. »Nicht nur ein Traum. Hier. Jetzt.« Er hielt den Atem an und lauschte. »Da ist etwas hinter dem Regen … das herabkommt. «
    »Neil! Du machst mir Angst.«
    Er senkte den Blick und sah ihr in die Augen. »Ein gewaltiges Gewicht ist irgendwo da droben. Ein wachsender Druck. Du spürst ihn doch auch.«
    Selbst wenn der Mond herabgestürzt wäre, hätte Molly nur widerstrebend eingestanden, dass seine Anziehungskraft anders als bisher auf ihr Blut einwirkte. Bisher hatte sie die Zügel ihres Lebens immer im Griff gehabt und die Emotion nur auf den Seiten ihrer Bücher losgaloppieren lassen, bisher hatte sie alle Dramatik für ihre Literatur aufgespart.
    »Nein«, sagte sie, »es war sicher nur das Geräusch des Regens, das du im Traum gehört hast, und dann hat deine Fantasie etwas Merkwürdiges daraus gemacht, einen Berg eben.«
    »Du spürst es auch«, sagte er beharrlich und ging barfuß zum Fenster.
    Das schwache, bernsteinfarbene Licht der Nachttischlampe reichte nicht aus, um das Leuchten der Regenflut zu verbergen, die den Wald zum Glänzen brachte und den Boden versilberte.
    »Was ist denn das?«, fragte Neil.
    »Ein ungewöhnlicher Mineralgehalt, irgendeine Luftverschmutzung«, erwiderte Molly und nahm damit Zuflucht
zu den Erklärungen, die sie bereits erwogen und weitgehend verworfen hatte.
    Das Gefühl von Neugierde und Verwunderung, das sie dazu getrieben hatte, sich zwischen die Kojoten zu wagen, hatte sich in Bestürzung verwandelt.
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