Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer
Autoren: Sharon Bolton
Vom Netzwerk:
mich so sehr daran, neues Leben in die Welt zu bringen, dass es keinerlei Wirkung mehr auf mich hat. Ich hoffe nicht.
    Das Baby begann zu schreien, und ich gestattete mir zu lächeln, mich eine Sekunde lang zu entspannen, ehe ich es Gifford reichte – der mich sehr genau beobachtet hatte – und mich dann wieder Janet zuwandte, um die Nabelschnur abzuklemmen und durchzuschneiden.
    Â»Was ist es? Ist es gesund?«, tönte ihre Stimme hinter dem Sichtschutz hervor.
    Gifford brachte den Kennedys das Baby und ließ ihnen ein paar Augenblicke Zeit, ihren Sohn in die Arme zu nehmen und ihn zu begrüßen, ehe das Wiegen und die Tests begannen. Meine Aufgabe war es, mich um die Mutter zu kümmern.
    Drüben am Pädiatrietisch rief Gifford der Hebamme Zahlen zu, die sie auf eine Karte eintrug.
    Â»Zwei, zwei, zwei, eins, zwei.«
    Er untersuchte den Säugling nach dem Apgar-Schema, ein Test, bei dem Gesundheit und körperliche Verfassung eines Neugeborenen überprüft werden. Baby Kennedy hatte neun Punkte; der Test würde noch zweimal wiederholt werden, doch ich brauchte die Ergebnisse gar nicht. Ich wusste, dass er mehr oder weniger vollkommen war.
    Von seiner Mutter konnte ich das nicht behaupten. Sie hatte viel Blut verloren, mehr als wir ersetzen konnten, und sie blutete noch immer. Sofort nach der Entbindung hatte die Anästhesistin ihr Syntocinon verabreicht, ein Mittel, das routinemäßig angewendet wird, um Blutungen nach der Geburt zu vermeiden. In den meisten Fällen wirkt es, in einigen sehr wenigen nicht. Dies hier würde einer der wenigen sein. Ich entfernte die Plazenta, dann rief ich meinen Boss dazu.
    Â»Mr. Gifford.«
    Er kam zu mir, und wir entfernten uns ein Stück von den Kennedys.
    Â»Was würden Sie sagen, wie viel Blut sie verloren hat?«, fragte
ich. Als ich nach links schaute, waren meine Augen auf einer Höhe mit seiner Schulter.
    Â»Ein paar Einheiten, vielleicht auch mehr.«
    Â»Wir haben genau eine Einheit vorrätig.«
    Er fluchte leise.
    Â»Sie blutet immer noch«, sagte ich. »Mehr darf sie nicht verlieren.«
    Er trat dichter an Janet heran und betrachtete sie. Dann sah er mich an. Er nickte. Wir gingen um den Sichtschirm herum und standen den Kennedys gegenüber. John hielt seinen Sohn im Arm, und sein Gesicht strahlte vor Freude. Seine Frau hingegen sah überhaupt nicht gut aus.
    Â»Janet, können Sie mich hören?«
    Sie drehte den Kopf und schaute mich an.
    Â»Janet, Sie verlieren zu viel Blut. Die Medikamente, die wir Ihnen gegeben haben, um die Blutung zum Stillstand zu bringen, wirken nicht, und Sie werden sehr schwach. Ich muss Ihnen die Gebärmutter herausnehmen.«
    Ihre Augen weiteten sich vor Schreck.
    Â»Jetzt gleich?«, stieß ihr Mann hervor, dessen Gesicht kreidebleich wurde.
    Ich nickte. »Ja, jetzt gleich. So bald wie möglich.«
    Er blickte Gifford an. »Sehen Sie das auch so?«
    Â»Ja«, bestätigte Gifford. »Ich glaube, Ihre Frau wird sterben, wenn wir es nicht tun.«
    Ziemlich direkt, sogar für mein Empfinden, doch ich konnte ihm nicht widersprechen.
    Die Kennedys sahen sich an. Dann wandte John sich abermals an Gifford. »Können Sie das machen?«
    Â»Nein«, antwortete er. »Miss Hamilton kann das besser als ich.«
    Irgendwie bezweifelte ich das, doch es stand mir nicht zu, Einspruch zu erheben. Ich schaute zu der Anästhesistin hinüber. Sie nickte mir zu, bereit, die Vollnarkose einzuleiten, die für einen solchen Eingriff notwendig war. Eine Schwester brachte die Formulare
für die Einverständniserklärung, und John Kennedy und sein Sohn verließen den OP. Ich schloss kurz die Augen, atmete tief durch und machte mich an die Arbeit.
    Â 
    Zwei Stunden später war Janet Kennedy geschwächt, aber stabil, der Wind hatte nachgelassen, und das Blut, das sie so dringend brauchte, war unterwegs. Wahrscheinlich würde sie sich wieder erholen. Dem Nachwuchs der Kennedys, der jetzt den Namen Tamary trug, ging es bestens, und John döste in dem Sessel neben dem Bett seiner Frau vor sich hin. Inzwischen war ich geduscht und umgezogen, hatte aber das Gefühl, im Krankenhaus bleiben zu müssen, bis das Blut eintraf. Ich rief zu Hause an, um den Anrufbeantworter abzuhören, doch Duncan hatte sich nicht gemeldet. Ich wusste nicht, ob die Polizei noch vor Ort war oder nicht.
    Gifford war während der Hysterektomie im OP
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher