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Todesnacht: Island-Thriller (German Edition)

Todesnacht: Island-Thriller (German Edition)

Titel: Todesnacht: Island-Thriller (German Edition)
Autoren: Ragnar Jónasson
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ihre Mutter früher besucht hatte. Inzwischen waren ihre Eltern allerdings nach Norwegen gezogen. Sie hatten beide in der Krise ihre Jobs verloren, ihrem Vater wurde bei der Bank gekündigt und ihrer Mutter im Architekturbüro. Kristín vermisste sie und wollte sie im Herbst besuchen, wenn sie sich länger Urlaub nehmen konnte. Sie hatte protestiert, als die beiden ihr von ihren Plänen erzählt hatten, konnte aber nicht viel dazu sagen, da sie selbst aus der Stadt weggezogen war und ihre Eltern seitdem nicht oft besucht hatte. In Reykjavík gab es für ihre Mutter und für Architekten generell keine Arbeit, aber ihr war ein gutbezahlter Job in Oslo angeboten worden. Angesichts des schlechten Kurses der isländischen Krone waren die meisten Jobs im Ausland lukrativ. Kristíns Vater hatte zwar eine Stelle bei einer anderen Bank in Reykjavík bekommen, aber nur befristet. Außerdem wollte er sich nach dem Bankencrash beruflich umorientieren. Jetzt arbeitete er bei einer kleinen Firma in Norwegen als Finanzberater im Fischereisektor, worauf er sich seinerzeit bei der Bank spezialisiert hatte.
    Die beiden hatten Kristín an Ostern besucht und in ihrer kleinen Wohnung im Wohnzimmer auf Matratzen geschlafen. »Du brauchst unbedingt was Größeres«, hatte ihre Mutter gesagt, »die Wohnung ist viel zu klein für eine Ärztin und furchtbar trist.« Sie konnte manchmal unangenehm direkt sein.
    Kristín wollte die Wohnung nicht mit Krempel vollstellen. Sie fühlte sich wohl dort. Im Wohnzimmer hing nur ein Bild, ein gerahmtes Poster von Humphrey Bogart und Ingrid Bergmann in
Casablanca
, einem ihrer Lieblingsfilme. Das Sofa und die Sessel hatte sie günstig im Secondhandladen bekommen, und der Couchtisch war ein schlichter, hübscher Holztisch. Sie hatte keine Bücherregale aufgestellt, und ihre Bücher, fast ausschließlich Medizinbücher, stapelten sich auf dem Fußboden. Der Küchentisch gehörte zur Einrichtung und war ein bisschen in die Jahre gekommen, aber trotzdem noch in Ordnung.
    Jetzt saßen Kristín und der Witwer sich auf abgenutzten, grünen Hockern am Küchentisch gegenüber und tranken Rotwein. Der Braten war im Ofen.
    »Ich habe mich ein bisschen verkalkuliert«, sagte Kristín mit entschuldigender Stimme. »Ich habe das Rezept lange nicht mehr gemacht. Es dauert bestimmt noch eine halbe Stunde.«
    Der Mann lächelte ihr zu, mit seinen markanten Gesichtszügen und seinem graumelierten Haar. Sie hatten nicht viel über ihre früheren Beziehungen gesprochen und vermieden das Thema beide – Kristín wollte nicht über Ari reden, und er schien auch nicht über seine verstorbene Frau sprechen zu wollen. Die Küche wirkte ziemlich trostlos und zeugte davon, dass Kristín nicht viel Zeit darin verbrachte und lieber auf der Arbeit aß. Dort gab es immer reichhaltige Mittag- und Abendessen, und ihre Schichten lagen meistens so, dass sie beide mitbekam. Ansonsten konsumierte sie reichlich Fastfood, achtete jedoch darauf, sich nicht zu ungesund zu ernähren.
    Sie stießen an, zum dritten Mal an diesem Abend, über einem Teelicht, das in der Mitte des Tisches stand.

22 . Kapitel
    Helga hatte eine Einsatzbesprechung auf dem Grundstück vor dem Haus mit Elías’ Wohnung anberaumt. Ari und andere Polizeivertreter standen beisammen.
    Der Kameramann scharwenzelte mit erhobener Kamera um die Polizisten herum. Helga bat ihn, die Kamera auszuschalten, während sie mit ihren Kollegen sprach. Er erklärte sich erst dazu bereit, als sie versprochen hatte, ihn als Ersten über den Fortlauf der Sache zu unterrichten.
    »Ich hätte diesen Fernsehfuzzi einfach verhaftet«, flüsterte Ari Tómas zu, der breit grinste. Ari hatte ihn in letzter Zeit nicht oft lächeln sehen.
    Der Kameramann schaltete das Gerät aus und hielt sich etwas abseits, aber Ari war sich sicher, dass er noch nah genug stand, um fast alles zu hören, worüber sie sprachen.
    »Die Frau ist nicht in der Wohnung«, sagte Helga, obwohl diese Tatsache an niemandem vorbeigegangen war. »Möglicherweise wollte der Informant uns an der Nase herumführen, aber vielleicht befindet sie sich auch an einem anderen Ort. Das wäre dann ein Wettlauf gegen die Zeit. Wir müssen noch einmal blitzschnell alle Aspekte des Falls durchgehen und abchecken, ob ein anderer Ort in Frage kommt. Außerdem müssen wir Elías’ Freunde und Kollegen noch einmal verhören, wenn es nicht anders geht auch telefonisch.« Sie machte eine kurze Pause und sagte dann mit ernster Stimme: »Wir haben
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