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Todesmuster

Todesmuster

Titel: Todesmuster
Autoren: Norbert Horst
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Engelhaar, immer wieder. Die Stimme kommt näher, Angst, findet einen. Ab in den Keller. Brutaler Griff, Knochen brechen, wirre Angst, Haare in die Walze, er dreht, rasender Schmerz, Haarwurzeln lösen sich blutig rosa aus der Kopfhaut. Das Bewusstsein versinkt in uferloser Panik.
    Am Kaktus an der Seite eine kleine grüne Beule, aus dem winzigen Riss leuchtet es Rot. Der kriegt ’ne Blüte, die erste seit Jahren.
    Hat der das alles kopiert? Was bedeutet das? Hat der sich selbst getötet? Oder einen Teil von sich? Mal Iris anrufen die Tage. Was hat Krause an der Fachhochschule immer gesagt? Man kann nur das aus einem Eimer herausholen, was mal jemand hineingegossen hat.
    Ernst kommt wieder.
     
    In Glowatzkis Büro großer Auflauf. Enge. Edda sitzt in der Ecke, Rebecca hat sich den Stuhl von vorne zwischen die Beine geschoben. Angelmeier wie immer, nimmt beim Reinkommen keine Notiz. Glowatzki lehnt mit verschränkten Armen an der Wand, macht eine versteckte Kopfbewegung, ist eingeweiht.
    »Und Sie glauben wahrscheinlich, wir wissen nichts?« Er stößt sich von der Wand ab, geht eine Acht vor Angelmeier. »Na, gut.« Er zieht sich zurück.
    Einen Meter dahinter stellen. Auf der Glatze sind unter der Haut ein paar Verdickungen zu erkennen, deutlicher Körpergeruch. Noch etwas näher ran, er soll Atem hören.
    Ernst an der Wand, kommt langsam, gemessen, bleibt einen Meter vor Angelmeier stehen. Augen wie ein Vogel.
    Die anderen sehen ihn an, Erwartung. Eine Minute warten.
    »Was ist passiert in der Höhle, hm?« Keine Regung. »Was hast du da gemacht? Was hast du da gemacht mit diesem Mann, der solche Ähnlichkeit hatte? Gefesselt? Geknebelt? Ihn verletzt? Mehr verletzt? Ihn getötet?« Er geht näher ran, beschwörender Klang. »Hattest du das nicht alles schon einmal erlebt? Von der anderen Seite, sicherlich, aber das war doch alles schon mal da, nicht? Damals. Hinter dem Regal, in diesem Loch, in dem sie im Krieg die Schweine geschlachtet haben? Wie war es, als dein Vater runterkam und nach dir rief? Besoffen wie immer.« Diese Sprache kennt man von Ernst gar nicht. »Seine Schritte poltern durchs Haus und er schreit deinen Namen. Fesseln, Knebeln, Verletzungen. Diese Schmerzen, diese Angst, Todesangst. Aber wenn er das tat, hat er gar nicht deinen Namen gebrüllt, nicht?« Fast geflüstert. »Wenn er so war, dann nannte er dich Engelhaar.« Lauter. »Engelhaar, wo bist du? Engelhaar!« Dröhnend. »Engelhaar, du kleiner Bastard, ich krieg dich. Engelhaar!«
    Kaum merkliches Zucken der Augenlider.
    »Ich krieg dich, mein Engel, ich krieg dich immer.« Hämische Fratze. »Engelhaar.«
    Angelmeiers Mund öffnet sich wie hydraulisch. Seine Hände verkrallen sich im Stoff der Hose, weiße Knöchel. Ein kraftvolles Zittern schüttelt ihn, heftiges Atmen, an seiner Halsseite zeichnen sich rote Flecken.
    Vorsicht. Die anderen werden hektisch, Rebecca springt auf.
    Sein Oberkörper kippt nach vorn, er gleitet seitlich vom Stuhl.
    Glowatzki und Ernst fassen mit an.
    Seine Arme schlagen unkontrolliert wie unter Stromstößen.
    »Holt die Ärztin!«
    Rebecca sprintet los.
    Seine Augenlider sind halb geschlossen, er hechelt, Speichel tropft aus seinem Mundwinkel, zieht einen Faden.
    Helmut kommt reingestürzt, versucht mit festzuhalten, kein Platz mehr.
    Acht Hände bändigen sein Zucken, fühlt sich an wie ein Karnickel, das fliehen will. Sein Atem wird ruhiger, die anderen schnaufen. Ganz leise, dann lauter ein langes, hohes Fiepen wie aus dem Mark seiner Seele. Das Zucken lässt nach, er schließt die Augen.
    »Alles klar?« Visuelle Verständigung.
    Langsam den Griff lösen, die anderen auch. Er liegt ruhig, seine Atemzüge werden tiefer. Die anderen entspannen sich, lassen los, er liegt. Die Polizeiärztin kommt, Rebecca hinterher. Sie kniet sich neben ihn, zieht ein Augenlid hoch, fühlt den Puls. Ihr Gesicht gibt Entwarnung.
    Ein Griff unter die Achsel, wieder auf den Stuhl. Angelmeier stützt sich auf den Ellbogen ab, der Kopf hängt nach unten. In seinem Nacken treten die Wirbel hervor, einige tiefe Atemzüge, er kommt allmählich wieder zu sich.
    Jetzt sollen sie noch mal ran. Alle anderen verlassen auf stilles Kommando den Raum. Die Ärztin verabschiedet sich, volles Wartezimmer, okay. Wehender Kittel.
    »Wollt ihr auch einen Schnaps?« Helmut mit letzten Resten des Schocks um die Mundwinkel.
    Ernst lehnt ab, fährt sich mit beiden Händen durch die Haare, tapert wortlos den Flur lang.
    11 Uhr 04
    Einen Moment
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