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Todeskette

Todeskette

Titel: Todeskette
Autoren: Colin Forbes
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seinen Sessel zuging.
    »Ich habe Mr. Tweed erzählt, dass er einmal einem Mann namens Pike gehört hat und…«
    »Du redest zu viel, Crystal«, sagte ein großer, breitschultriger junger Mann, der soeben durch die Tür in der Wandvertäfelung die Bibliothek betrat. Er mochte wohl Anfang zwanzig sein und hatte dichtes blondes Haar, ein lang gezogenes Gesicht und ein höhnisches Lächeln auf den Lippen. Gekleidet war er in verwaschene, ausgebeulte Jeans und einen schlaff herabhängenden weißen Pullover. Tweed, der den jungen Mann auf den ersten Blick als Rabauken erkannt hatte, blickte hinüber zu Lavinia und sah erst jetzt, dass ihre Augen so wasserblau wie das sommerliche Mittelmeer waren. Sie hob ihre dichten Augenbrauen.
    »Bring mir einen Sessel, Crystal«, befahl der junge Mann.
    Crystal ging auf ihn zu und baute sich mit in die Hüfte gestemmten Armen vor ihm auf.
    »Mr. Tweed, Miss Grey, darf ich Ihnen meinen wohlerzogenen Bruder Leo vorstellen? Er ist nur sieben Jahre jünger als ich und immer noch nicht trocken hinter den Ohren. Hol dir den Sessel gefälligst selbst, Leo!«, zischte sie dem jungen Mann zu, der einen Arm hob und Anstalten machte, Crystal zu schlagen.
    Auf einmal legten sich ihm von hinten zwei starke Hände auf die Schultern.
    Ein Mann, der zwar ein Stück kleiner, aber deutlich kräftiger war als Marshal Main, war durch die hintere Tür in die Bibliothek gekommen und hinter Leo getreten. Er hatte blondes Haar und ein offen, ehrlich und entschlossen wirkendes Gesicht, das Tweed auf den ersten Blick sympathisch fand. Der Mann drehte Leo um, damit er ihn ansehen musste, und sagte mit leiser, aber souverän klingender Stimme: »Du gehst jetzt auf dein Zimmer und ziehst dir etwas Anständiges an. Über dein Benehmen reden wir später.«
    Leo nickte folgsam und ging zur Tür, wo er sich noch einmal umdrehte und hinter dem Rücken seines Vaters Crystal die Zunge herausstreckte.
    »Bevor du gehst, entschuldigst du dich noch bei deiner Schwester, Leo«, befahl der kräftige Mann und ging hinüber zu den anderen.
    »Tut mir leid, Crystal«, sagte Leo, ohne allzu überzeugend zu klingen. »Ich habe heute einen schlechten Tag.«
    Als er die Bibliothek verlassen hatte, zog Crystal einen Sessel für ihren Vater heran. Er nahm darin Platz und wandte sich mit einem freundlichen Lächeln an Tweed.
    »Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen, Mr. Tweed. Ich bin Warner Chance, einer der beiden Geschäftsführer der Bank.«
    Tweed bemerkte sofort den Unterschied zu Marshal Main, der sich als den Geschäftsführer der Bank bezeichnet und seinen Kollegen mit keinem Wort erwähnt hatte. Chance, der eine gepflegte Wildlederjacke, ein dezentes Halstuch und blaue Hosen mit messerscharfen Bügelfalten trug, kam Tweed sehr viel dezenter vor als Marshal Main.
    Main bot Tweed einen Whisky an und füllte, als dieser ablehnte, noch einmal sein eigenes Glas.
    »Einen Toast auf Mr. Tweed. Auf dass er und seine reizende Assistentin möglichst lange bei uns bleiben mögen.«
    »Ja, bleiben Sie doch über Nacht«, flötete Crystal. »Wir würden uns in Ihrer Gegenwart alle sehr viel sicherer fühlen.«
    Tweed erwiderte nichts darauf, weil er sah, dass Snape mit steifem Gang in die Bibliothek kam.
    In gebührendem Abstand vom Tisch blieb er stehen und räusperte sich dezent. »Ich möchte ja nicht stören, aber…«
    »Nun spucken Sie’s schon aus, Mann!«, herrschte Main ihn an.
    »Mrs. Bella Main bittet Mr. Tweed und Miss Grey nochmals um Entschuldigung und lässt ihnen ausrichten, dass sie jetzt bereit wäre, sie zu empfangen.«

3
    Mit Paula auf der einen Seite und Lavinia auf der anderen folgte Tweed Snape durch die große, düstere Halle, wo der Butler auf eine holzgetäfelte Wand zuging und einen verborgenen Knopf drückte.
    In der Täfelung öffnete sich eine große Tür und gab den Blick auf eine mit beigefarbenem Teppich ausgelegte Aufzugskabine frei.
    »Mrs. Bellas Büro befindet sich im ersten Stock, Sir«, erklärte Snape.
    »Und warum nehmen wir dann nicht die Treppe?«
    »Weil Mrs. Bella darauf besteht, dass ihre Besucher den Fahrstuhl benutzen.«
    Als sie die Kabine betraten, besah sich Tweed den dicken Teppich, in dem zwei tiefe Rillen waren, als ob jemand einen schweren Wagen hineingeschoben hätte. Offenbar hatte jemand mit einem Staubsauger versucht, die Spuren zu beseitigen, was ihm aber nicht gelungen war. Snape drückte den zweiten Knopf auf dem Schaltbrett. Der Lift setzte sich langsam in
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