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Todesgarten

Todesgarten

Titel: Todesgarten
Autoren: Stefan Holtkötter
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getroffen.«
    Michael erkannte es in seinen Augen. Christoph wollte
es. Er wollte, dass alles ans Licht gelangte. Er würde die Wahrheit nicht
leugnen, wenn Michael sie laut aussprach.
    Â»Er war an dem Abend im Kink Klub, als wir uns dort
getroffen haben. Er stand in der Tür und hat auf dich gewartet. Es ist der
Mann, mit dem du zusammen bist. Dein Freund.«
    Schütz schloss die Augen. Er nickte.
    Â»Hendrik«, flüsterte er. »Er heißt Hendrik.«
    Michael bemerkte im Augenwinkel, wie Kathrin den Kopf
hob und ihn fragend ansah. Doch er ignorierte es.
    Â»Hat er es aus Eifersucht getan? Oder wollte er dich beschützen?
Warum hat er den Stein genommen und zugeschlagen?«
    Â»Er … konnte nicht ertragen, wie ich gedemütigt wurde.
Daniel hat mich wie Dreck behandelt, und Hendrik hat das gesehen und ist
durchgedreht.«
    Â»Er ist auf Daniel losgegangen.«
    Â»Ja. Es war eine Kurzschlusshandlung. Er hat den Stein
auf der Erde gesehen und ihn aufgenommen. Dann ist er auf Daniel los und hat
zugeschlagen. Es ist alles so schnell gegangen. Er wollte ihn nicht töten,
weißt du? Gerade noch stand Daniel da, und im nächsten Moment lag er am Boden,
mit dieser grässlichen Wunde am Kopf. Ich wusste nicht, wie schwer er verletzt
ist und ob er noch lebt. Ich bin einfach losgerannt und habe an der Notrufsäule
die Polizei gerufen. Als ich zurückkam, war Hendrik nicht mehr da. Er ist
weggelaufen.«
    Michael dachte an die Fotos der Polizeifotografin. Das
überbelichtete Bild seines Bruders mit dem grellroten Blutfleck am Kopf. In
seinem Gesicht war ein Ausdruck der Überraschung konserviert gewesen.
    Â»Hendrik hat es getan, weil Daniel mich gedemütigt
hat. Er konnte das nicht ertragen. Ich … konnte ihn nicht anzeigen. Verstehst
du das? Ich konnte es nicht. Es tut mir so leid.«
    Michael schwieg. Daniel war tot. Was spielte das noch
für eine Rolle.
    Kathrin ließ ein Räuspern vernehmen. Sie richtete sich
auf. »Ich muss Sie bitten, mir zum Gebäude der Mordkommission zu folgen, Herr
Schütz. Wir müssen dort noch einmal alles durchgehen. Außerdem brauche ich
Namen und Anschrift von Ihrem Freund. Das ist Ihnen doch klar, oder?«
    Er nickte und gab ihr die Daten.
    Â»Danke.« Sie stand auf. »Dann wollen wir mal. Ich
werde kurz den Kollegen Bescheid geben, dass wir unterwegs sind.«
    Sie zückte ihr Handy und machte sich auf den Weg zur Küche,
um dort ungestört sprechen zu können. Auf der Türschwelle blieb sie stehen und
drehte sich um.
    Â»Michael? Kommst du mal kurz?«
    Er hatte keine Ahnung, was nun folgen würde. Aber er
stand auf und folgte ihr in den Flur. Sie empfing ihn mit einem frostigen
Blick.
    Â»Du gehst jetzt nach Hause und vergisst, dass du hier
gewesen bist.« Das war ein Befehl. »Keine Ahnung, wie ich das machen soll, aber
irgendwie halte ich dich da raus. Wenn die Geschichte stimmt, und dieser
Hendrik war der Täter, dann gibt es keinen Grund, deinen Namen in den Akten
auftauchen zu lassen.«
    Â»Ich … danke. Aber …«
    Sie brachte ihn zum Schweigen. »Wenn du jemandem davon
erzählst, bringe ich dich um, das schwöre ich. Und jetzt verschwinde, ich will
dich nicht mehr sehen. Ich habe wegen dir schon genügend Ärger.«
    Sie ließ ihn einfach stehen. Ging in die Küche und begann
zu telefonieren. Er dankte ihr nochmals, doch sie schien das gar nicht mehr
wahrzunehmen.
    Es war vorbei. Für ihn war die Nacht zu Ende. Der Rest
würde ohne ihn stattfinden.
    Unschlüssig ging er zurück ins Wohnzimmer und nahm
seine Jacke.
    Â»Ich werde jetzt gehen«, sagte er zu Schütz, der am
Tisch hockte und gleichzeitig elend und erleichtert wirkte. »Frau Herrmann wird
alles Weitere regeln. Danke, dass du nicht länger geschwiegen hast. Das meine
ich ganz ehrlich. Für mich war es wichtig. Jetzt kann ich Abschied nehmen.«
    Er zögerte, doch es gab nichts mehr zu sagen. Dann
wandte er sich zur Tür. Das Gefühl der Einsamkeit war übergroß. Wohin sollte er
jetzt gehen? Es gab kein Ziel, kein Zuhause.
    Â»Michael!«
    Es war das erste Mal, dass Christoph ihn mit Vornamen
angesprochen hatte. Er stand etwas unsicher neben dem Tisch und blickte scheu
zu ihm herüber.
    Â»Als Daniel dich wiedergefunden hatte, war er überglücklich.
Er hat mir jeden Tag von dir erzählt. Er wollte dich unbedingt kennenlernen.
Die verlorene Zeit
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