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Todesfracht

Titel: Todesfracht
Autoren: Clive Cussler
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Matrosen überlassen, sich mit Rettungsbooten selbst in Sicherheit zu bringen. Bisher hatten nur 15 von insgesamt 172 Personen diese Angriffe überlebt. Erst gestern waren sie darüber informiert worden, dass ein Containerschiff praktisch spurlos verschwunden war. Wegen der Piratengefahr war auf der Kommandobrücke ein Waffenschrank aufgestellt worden, doch die beiden Schrotflinten und die einzige Pistole konnten gegen die Sturmgewehre, die die Gruppe Wissenschaftler und Seeleute mit einem Kugelhagel überschütteten, nicht das Mindeste ausrichten.
    Der Fluchtinstinkt übernahm das Kommando, und Tory schwang sich schnell aus der Koje. Sie verschwendete zwei wertvolle Sekunden damit, eine Wahl zu treffen, die sie gar nicht hatte. Es gab keinen Ort, den sie in diesem Augenblick hätte aufsuchen können. Die Piraten befanden sich irgendwo im Korridor vor ihrer Kabine und schossen in die Räume hinein, wenn sie den Lärm richtig deutete. Sie würde in dem Moment niedergeschossen werden, in dem sie die Tür öffnete. Sie konnte nicht fliehen, und in ihrem Raum gab es nichts, was sie als Waffe hätte einsetzen können.
    Das Licht eines vollen Mondes, das durch das Bullauge drang, fiel auf das abgezogene Bett gegenüber ihrem eigenen und brachte sie auf eine Idee. Sie riss die Decken und Laken von ihrem Bett und stopfte sie unter den Bettrahmen. Dann holte sie ihre Kleider aus dem Spind und achtete darauf, seine Tür ebenso offen stehen zu lassen, wie beim Spind ihrer abwesenden Mitbewohnerin. Sie vermutete, dass sie keine Zeit mehr hätte, ihre Toilettenutensilien aus dem Bad zu holen. Sie kroch unter das Bett, drückte sich in die fernste Ecke und verteilte die Kleider um ihren Körper.
    Sie hatte Mühe, einen gleichmäßigen Atemrhythmus beizubehalten, als sich der erste Panikanfall am Rand ihres Bewusstseins ankündigte. Tränen sickerten aus den Winkeln ihrer blauen Augen. Sie unterdrückte ein Schluchzen, als ihre Kabinentür aufgestoßen wurde. Dann sah sie einen Taschenlampenstrahl durch den Raum wandern. Er huschte zuerst über Judys leeres Bett, ehe er ihr eigenes kontrollierte und schließlich auf den beiden leeren Spinden verharrte.
    Die Füße des Piraten kamen in Sicht. Er trug schwarze Kampfstiefel, und sie konnte die Umschläge seiner schwarzen Hosenbeine sehen, die in die Schäfte gestopft waren. Der Pirat ging zum winzigen Bad und leuchtete kurz hinein. Sie hörte das Rascheln des Duschvorhangs, als er dahinterschaute. Entweder sah er Torys Seife, das Haarshampoo und die Pflegespülung nicht, oder er hielt ihr Vorhandensein nicht für wichtig. Beim Hinausgehen schlug er die Kabinentür hinter sich zu, offensichtlich überzeugt, dass der Raum leer war.
    Tory blieb regungslos liegen, während sich der Kampflärm den Korridor hinunter entfernte. Auf dem Schiff befanden sich nur dreißig Personen. Die meisten lagen schlafend in ihren Kabinen, denn nachts wurde der Maschinenraum von einer Automatik überwacht, und auf der Brücke hielten nur zwei Matrosen Wache. Da ihre Kabine eine der letzten des Korridors war, musste sie davon ausgehen, dass die Piraten die gesamte Besatzung ausgelöscht hatten.
    Die Besatzung. Ihre Freunde.
    Wenn sie aus dieser Sache irgendwie lebendig herauskommen wollte, durfte sie nicht zulassen, dass sich dieser Gedanke in ihrem Gehirn festsetzte. Wie lange würden sie brauchen, um das Schiff zu plündern? Es gab nur wenig, das für die Piraten von Wert war. Ihre teure Ausrüstung, die wissenschaftlichen Geräte, das alles war zu voluminös, um es einfach zu stehlen.
    Die Unterwassersonden waren für Nichtwissenschaftler zudem absolut wertlos. Es gab ein paar Fernsehgeräte und Computer, aber sie mitzunehmen schien kaum der Mühe wert.
    Dennoch, Tory rechnete sich aus, dass die Piraten wahrscheinlich eine halbe Stunde brauchen würden, um die 130 Fuß lange
Avalon
zu durchstöbern, ehe sie die Bodenventile öffneten und sie auf den Meeresgrund schickten. Sie zählte anhand der leuchtenden Punkte auf dem Zifferblatt der Herren-Rolex, die sie trug, die Minuten und gönnte sich den Luxus, in den winzigen Kosmos phosphoreszierender Ministerne einzutauchen, um nicht doch noch in Panik zu geraten.
    Nur eine Viertelstunde verstrich, ehe sie spürte, wie sich die Bewegungen des Schiffs veränderten. Die Nacht war ruhig, und die
Avalon
rollte mit der sanften Dünung, ein normalerweise angenehmes Schwanken, das sie jede Nacht in den Schlaf wiegte. Tory glaubte zu spüren, dass dieses Schwanken
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