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Todeseis

Todeseis

Titel: Todeseis
Autoren: Bernward Schneider
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Geschäftsführer der White-Star-Line.«
    »Gladys Appleton«, gab sie zurück.
    Appleton war der Name, den sie für die Reise ausgewählt hatte. Gladys wusste, dass niemand sie nach einem Ausweis fragen würde. Viele Leute reisten anonym oder unter falschem Namen, kein Mensch hinderte sie daran.
    »Miss Appleton?«, fragte Ismay gedehnt.
    »Nein, Mrs. Appleton«, antwortete sie. »Und bevor Sie fragen – ich mache diese Reise ohne meinen Gatten.«
    Ismay lächelte nachsichtig. »Herzlich willkommen an Bord unseres Schiffes, Mrs. Appleton. Seien Sie versichert, schöne junge Lady, dass ich Ihren Namen nicht vergessen werde. Jede schöne Frau an Bord ist eine besondere Ehre für unser Schiff.«
    Gladys überlegte, was er wohl zu den weniger attraktiven Frauen sagte, aber der Reeder war um eine passende Floskel sicher nicht verlegen, vor allem nicht, wenn die Betreffende genug Geld besaß. Reich oder schön – über eine dieser beiden Eigenschaften musste man verfügen, um in den Kreisen dieses Herrn wahrgenommen zu werden.
    Hinter den anderen Passagieren ging sie auf blauem Teppich den Korridor zu den Kabinen entlang. Ein Gehilfe des Zahlmeisters kam mit der Passagierliste auf sie zu. Er schwitzte, denn er hatte alle Hände voll zu tun, um den Überblick zu behalten, gleichwohl strahlte er sie freundlich an.
    »Gladys Appleton«, sagte sie und gewöhnte sich schon an den Klang ihres neuen Nachnamens.
    Der Zahlmeistergehilfe fuhr mit dem Finger die Liste der Passagiere erster Klasse entlang und runzelte dann die Stirn.
    »Stehen Sie vielleicht unter einem anderen Namen in der Passagierliste, Madam?«
    »Mrs. Phil Ryland.«
    Das Gesicht des Mannes leuchtete auf, als er den Eintrag gefunden hatte.
    »Hier steht es.« Er blickte auf und strahlte sie an. »Mr. Ryland kommt noch an Bord?«
    Sie strahlte mit der unschuldigsten Miene, die aufzusetzen ihr möglich war, zurück.
    »Mr. Ryland ist verhindert«, sagte sie. »Eine überraschende Blinddarmreizung, weswegen der Arzt ihm die Reise verbot. Ich bitte Sie, seinen Namen aus der Liste zu streichen und den Namen von Mrs. Ryland gleichfalls zu entfernen.«
    Der Mann blickte erstaunt von seiner Liste auf.
    »Selbstverständlich, Madam! Doch – warum soll ich Ihren Namen streichen? Das kann ich eigentlich nicht tun.«
    »Wird die Passagierliste auf dem Schiff ausgehängt?«
    »Wenn alle Passagiere an Bord sind, geht die Liste in Druck.«
    »Sie kennen sicher die Gesellschaftsnachrichten, die nach jeder Atlantiküberquerung veröffentlicht werden? Auch die Zeitungsleute schauen sich diese Passagierlisten an, nicht wahr?«
    Er zuckte mit den Achseln. »Spricht etwas dagegen, in den Listen genannt zu werden?«
    »Phil möchte es nicht, und auch mir wäre es sehr lieb, wenn nicht bekannt würde, dass ich – ohne ihn reise. Sie verstehen?«
    Er konnte den Blick nicht von ihr lassen, aber er verstand noch immer nicht, was man ihm deutlich ansah.
    »Wissen Sie, wir sind nicht verheiratet«, fügte sie deshalb hinzu. »Mr. Ryland ist noch nicht von seiner Gattin geschieden. Es würde ein falscher Eindruck entstehen. Mein geschiedener Mann hat schon einmal einen Detektiv beauftragt.« Sie setzte ein reizendes Lächeln auf und trat ein Stück näher an den Mann heran. »Es wäre wirklich ganz lieb von Ihnen.«
    Die Wirkung blieb nicht aus. Ihrem erotischen Charme erlag fast jeder. Bei Gladys Liebreiz konnte man einfach nur denken, dass die Geschichte stimmte.
    »Ach so! Ja, wenn es so ist.« Er zuckte mit den Achseln und machte ein ausgebufftes Gesicht. »Mich persönlich interessiert es nicht, welcher Name in der Passagierliste steht. Jeder kann unter dem Namen reisen, der ihm gefällt. Aber bedenken Sie, auch wenn ich Ihre Namen aus der Bordliste streiche – es gibt die Listen der Schifffahrtsgesellschaften, und da stehen die Namen drin, unter denen die Fahrkarten gekauft wurden. Wenn dort nachgefragt wird …«
    »Ändern Sie es trotzdem«, sagte Gladys. »Mr. und Mrs. Phil Ryland sind nicht an Bord.«
    Sollte später jemand die Bordlisten überprüfen, um sich Gewissheit zu verschaffen, ob eine Mrs. Ryland wirklich nach Amerika gefahren war, wäre kein Name in der Liste zu finden, der darauf hindeutete, dass sie England verlassen hatte. Ob diese Maßnahme sie hinreichend schützen würde, erschien ihr zwar zweifelhaft, aber sie wollte wenigstens nichts unversucht lassen, ihre Tarnung zu verbessern. Sie schenkte dem Zahlmeistergehilfen ein Lächeln und machte sich im
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