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Todesblueten

Todesblueten

Titel: Todesblueten
Autoren: Ulrike Rylance
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er.
    »Klar«, fauchte ich. Meine Schultern brannten wie Feuer. Ich warf ihm einen wütenden Blick zu. Doch David sah in diesem Moment gar nicht zu mir. Sondern auf irgendetwas hinter meinem Rücken. Etwas, was ihn erschrocken zusammenfahren ließ. Er öffnete den Mund, als ob er etwas sagen wollte, runzelte dann aber nur die Stirn, drehte sich abrupt um und stieg noch vor mir ein.
    Was hatte er da gerade entdeckt? Ich verrenkte meinen Hals, aber da war nichts mehr zu sehen, nur eine Oma mit Ziehkoffer und eine Mutter mit kleinem Kind. Seltsam. Ich folgte ihm in den Zug.
    Alex rekelte sich bereits in einem Vierersitz und schoss gerade mit seinem Handy ein Foto von Melanie.
    »Das wird voll der Gehirntod, der Urlaub«, sagte er mit leuchtenden Augen. Er öffnete zischend ein Bier und nahm einen großen Schluck.
    »Auch eins?«, fragte er in Richtung David. Der schüttelte den Kopf. Sein Handy kündigte ununterbrochen mit einem albernen Jingle neue SM S-Nach richten an. Er las sie und klappte das Telefon entnervt zu.
    Melanie zwinkerte mir zu. »Wir machen Urlaub auf 'ner Jacht! Und Nicole Wiener fährt mit 1 2-Jährigen ins Pferdecamp!«
    Nicole Wiener war unsere gemeinsame Feindin aus der Parallelklasse.
    Ich grinste zurück. »Und singt Lagerfeuerlieder.«
    Melanie tat, als ob sie Mundharmonika spielte. Ich tat, als ob ich Luftgitarre spielte. Wir prusteten los. Ich fühlte einen kleinen Stich in meiner Brust. Eigentlich wäre es doch viel schöner gewesen, wenn nur wir zwei zusammen weggefahren wären. Vielleicht auch ohne Tobi. Stattdessen . . . Alex rülpste leise.
    »Geile Chicks, geile Jacht, geiler Sommer«, sagte er und zog Melanie an sich ran. Der Moment war vorbei.
    »Ist nur ein Hausboot«, sagte ich.
    »Egal. Wird voll der Gehirntod.«
    Ich starrte angestrengt aus dem Fenster, wo die letzten Häuserreihen von Berlin sich verabschiedeten. So musste ich wenigstens nicht Alex ansehen,der mir gegenübersaß. Ihn hören musste ich leider doch.
    Wenn mich nicht alles täuschte, war der Gehirntod schon längst eingetreten.
     
    Nach zweimal Umsteigen waren wir endlich da. Mit einem letzten Ächzen fuhr der Zug in Lübbenau ein und blieb dann kraftlos in der nachmittäglichen Schwüle auf den Gleisen stehen. Alex kickte seine Bierdosen unter den Sitz und schraubte sich hoch.
    »Mann, ist das eine Hitze«, sagte er, als wir draußen standen. Hier war es irgendwie diesiger und drückender als in Berlin.
    »Bald sind wir am kühlen Wasser«, versprach Melanie. Sie sah sich suchend um. »Und was jetzt?«, fragte sie mich.
    Ich zerrte die Wegbeschreibung von Tante Lena heraus. »Wir müssen zum Lausensee. Da liegt das Boot. Sind drei Kilometer auf dem Wanderweg entlang.«
    »Und wo ist der Wanderweg?«, fragte David. Sein Handy vibrierte und summte hektisch in den Tiefen seiner Tasche.
    Ich hatte keine Ahnung. »Wir könnten ja mal fragen«, sagte ich und zeigte auf einen bärtigen Mann, der vor dem Bahnhof auf und ab schritt. Melanie nickte und wollte gerade auf den Mann zugehen, als Alex sie festhielt.
    »Quatsch. Das finden wir auch so. Hier scheint essowieso nur eine Straße zu geben.« Er sah sich um. »Na bitte, da ist ein Schild   – zum großen Hafen.« Wieder lief er einfach los. Als wären wir sein Fußvolk, das ihm schon brav hinterherlatschen würde. Und schließlich machten wir das ja auch! In der Hitze stehen bleiben wollte keiner. Ich warf einen letzten Blick auf den Bahnhof in der Hoffnung, irgendwo vielleicht doch noch einen Wegweiser zu sehen. Aus den Augenwinkeln nahm ich etwas Schwarz-Rotes wahr, das rasch hinter einer Mauer verschwand. Es kam mir vage bekannt vor. Aber wen sollte ich hier kennen, wenn ich noch nie in meinem Leben hier gewesen war? Ich stand da und guckte und überlegte, bis Melanies Stimme mich aus meinen Gedanken riss. »Kommst du, Clara?«
    »Na los«, rief auch David. »Soll ich dir tragen helfen? Dann kommen wir schneller voran.« Er schien es auf einmal eilig zu haben. Dankbar überließ ich ihm den Rucksack. Eigentlich war er ganz okay, wenn auch natürlich nicht so süß wie Tobi. Irgendwie interessant. Auf jeden Fall nicht so ein Proll wie Alex.
    Ich folgte ihnen.
     
    Die Stadt war klein und voller Touristen. Mein T-Shirt klebte mittlerweile wie ein nasser Lappen an meinem Rücken. Den anderen schien es ähnlich zu gehen, denn als wir an einem Springbrunnen vorbeikamen, blieb Alex stehen.
    »Wasser!«, schrie er und stürzte darauf zu. Er spritzteMelanie voll, die
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