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Tod in Florenz

Tod in Florenz

Titel: Tod in Florenz
Autoren: Magdalen Nabb
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als der Bus losfuhr, und war dann gezwungen, eine Weile dort auszuharren, während Laster und Personenwagen in beiden Richtungen vorbeifuhren. Auf der gegenüberliegenden Seite sah er ein niedriges kleines Gebäude mit einem schlammigen Hof davor, eingerahmt von Gerümpel und Plastiktüten, gerade breit genug für das hellblaue Auto, das dort geparkt stand. Als er endlich die Straße überquert hatte, waren sein Hut und Uniformmantel tropfnaß. Offensichtlich war das Ganze, wie das Mädchen gesagt hatte, früher ein gewöhnliches Bauernhaus gewesen, wahrscheinlich recht einsam gelegen, bis man diese Straße als Verbindung zu den neuen Fabriken gebaut hatte. Hinter dem großen Fenster links, das mit löchrigem, braunem Papier verklebt war, mußte die Werkstatt des Künstlers sein. Durch die Risse sickerte Licht. Rechts tauchte kurz das Gesicht einer Frau hinter dem verschlossenen Vorhang eines winzigen, vergitterten Fensters auf und war gleich wieder verschwunden. Aus Neugier ging er auf dieses Fenster zu und linste ins Halbdunkel. Zuerst konnte er nichts sehen, aber er hörte das zufriedene Glucksen von Hühnern und ein unbestimmtes scharrendes Geräusch. Eine kleine schwarze Katze sprang von innen aufs Fensterbrett und rieb sich an den nassen Gitterstäben. Das Fenster war nicht verglast, nur der Vorhangfetzen hing schief davor. Der Geruch nach tierischen Exkrementen war fast übermächtig. Nach einem Weilchen konnte er die Knopfaugen der Hennen ausmachen, die in ihrem Scharren und Picken innehielten und nach ihm äugten, ob er vielleicht mehr Futter brachte. Das scharrende Geräusch mußte aus dem Weinfaß dort kommen. Ein paar lange Ohren lugten immer wieder über den Rand, ein Hase wahrscheinlich, der dort gemästet wurde.
    »Da drin gibt es nichts besonders Interessantes.«
    Der Maresciallo drehte sich um. Der Künstler stand unter seiner Tür, in der Hand einen kleinen Pinsel, und beobachtete ihn.
    »Reine Neugier.« Der Maresciallo betrachtete ihn von oben bis unten, etwas überrascht, Berti in einem grauen Mohairanzug anzutreffen, der einmal recht gut gewesen war, auch wenn er jetzt abgetragen und ganz schön staubig aussah. Vielleicht hatte er seinen Overall ausgezogen, als er jemanden kommen sah. Der Maresciallo war ziemlich sicher, daß er das Treiben auf der Straße durch die Risse in dem Papier im Auge behielt: »Ich wollte eigentlich zu Ihnen. Sind Sie Berti?«
    »Stimmt. Wollen Sie nicht reinkommen, raus aus dem Regen?«
    »Gern.« Er folgte Berti, der erheblich kleiner als er und ziemlich mager war, in die Werkstatt.
    »Ich störe Sie sicher …«
    Berti zuckte die Achseln. »Es kommen dauernd Leute.«
    Ein Ölofen zischte in dem langgestreckten Raum, der größer war, als der Wachtmeister erwartet hatte. Jeder Zentimeter Wand war mit Majolikatellern bedeckt, und der ganze Raum war vollgestopft mit Keramikarbeiten aller Art, einige davon auf krummen Brettern und behelfsmäßigen Tischen und viele auf dem Fußboden, so daß der Wachtmeister sich kaum zu bewegen wagte, aus Angst, etwas zu zerbrechen.
    »Ich hole Ihnen einen Stuhl«, sagte Berti und schlängelte sich behende durch das Durcheinander zum hinteren Teil des Raumes, wo er einen Stapel Teller von einem staubigen Stuhl nahm und damit zurückkam, ohne auch nur einen Eierbecher verschoben zu haben.
    »Danke.«
    »Setzen Sie sich noch nicht …« Er wischte den Stuhl mit einem Lappen ab. »Das ist alles, was ich tun kann, aber Sie werden merken, es läßt sich gut abbürsten.«
    Berti setzte sich ans Fenster, wahrscheinlich sein Stammplatz. Auf einem Tischchen neben ihm standen dichtgedrängt Töpfe voller Farben und Pinsel verschiedenster Form und Größe, und neben ihm auf dem Fußboden weitere ähnliche Töpfe. Der Maresciallo, der bestimmt gleich alles zertreten oder umgeworfen hätte, war verblüfft über die Wendigkeit des Mannes, die so mühelos und selbstverständlich wirkte. Gewöhnlich wanderte er in einer neuen Umgebung gern umher, um sich zu orientieren, wie ein Hund etwa, der in einem fremden Haus herumläuft und in den Ecken schnüffelt, aber hier beschloß er lieber stillzusitzen, oder er würde unversehens für eine Anzahl von zerbrochenen Teilen zahlen müssen.
    »Wollen Sie sich nicht umsehen?« Berti schien seine Gedanken zu lesen, obwohl er nicht von seiner Arbeit aufsah.
    »Ich fühle mich ganz wohl hier. Arbeiten Sie ruhig weiter, wenn Sie mögen.«
    Tatsächlich hatte der Künstler schon einen weißen Teller hochgenommen und
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