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Tod in Florenz

Tod in Florenz

Titel: Tod in Florenz
Autoren: Magdalen Nabb
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ihn vor sich auf eine kleine Scheibe gelegt, die auf einen Ständer montiert war.
    »Sie wollen also nichts kaufen?«
    »Nein, aber ich würde Ihnen gern ein bißchen zusehen, wenn es Sie nicht stört.«
    Berti zuckte die Achseln, als sei es ihm so oder so egal. Er drehte die Scheibe und justierte den Teller, so daß er in der Mitte lag. Dann nahm er einen farbgetränkten Pinsel aus einem der Töpfe neben sich, und gleich darauf erschien ein perfekter dunkler Streifen rund um den Tellerrand.
    Der Maresciallo, der immer gern ein Handwerk gelernt hätte, aber zu ungeschickt dafür gewesen war, beobachtete ihn schweigend.
    »Sie sind nicht aus der Gegend?« bemerkte Berti, tauschte den Pinsel gegen einen anderen und zog einen neuen Strich, fein wie ein Haar, unterhalb des ersten.
    »Nein.«
    »Ein Freund von Niccolini?«
    »Niccolini?«
    »Der Maresciallo aus dem Ort.«
    »Ah …« Er hatte nicht daran gedacht, seinen heiteren Kollegen nach dem Namen zu fragen. »So könnte man es nennen.«
    »Er war gestern hier und hat etwas für seine Frau gesucht.« Guarnaccia antwortete nicht, warf aber unwillkürlich einen Blick zu dem verklebten Fenster, das nicht danach aussah, als ob der Töpfer eine Verkaufslizenz hätte und seine Ware hier an den Mann brächte.
    »Tja, das ist Italien, Maresciallo, das ist Italien …« Berti hielt inne und ließ seine runden, etwas wäßrigen Augen auf dem Maresciallo ruhen, dem die Beschreibung seines Kollegen einfiel, der Berti als alten Lüstling bezeichnet hatte. Er war gewiß ein unsympathischer Typ, etwas spinnenartig, aber als junger Mann mochte er durchaus gut ausgesehen haben. Sein runzliges Gesicht war sehr ebenmäßig und sein graues Haar so voll und wellig, daß er fast kopflastig wirkte. Er drehte sich um und suchte einen anderen Pinsel aus, dessen Spitze er zwischen seinen dünnen Fingern zwirbelte.
    »Niccolini hat nichts gekauft …« Er tunkte den Pinsel in eine blaßgelbe Flüssigkeit und malte auf den weißen Teller eine Reihe von Strichen, die dem Maresciallo recht zufällig vorkamen. »Und Sie wollen auch nichts kaufen. Sagen Sie mir dann vielleicht, was das alles zu bedeuten hat? Ich bin neugierig, sehr neugierig.«
    Der Maresciallo räusperte sich und legte die Hände flach auf die Knie, wobei er feststellen mußte, daß sie dort staubig- weiße Abdrücke hinterließen. Er versuchte sie wegzuwischen, wischte sie aber nur breit.
    »Etwas und nichts«, sagte er langsam, »es wird sich wahrscheinlich als nichts weiter herausstellen. Ich glaube, ein junges Mädchen kommt vormittags zu Ihnen, Schweizerin …«
    Die kleinen wäßrigen Augen richteten sich auf ihn, doch der Maresciallo erwiderte den Blick nicht, obwohl er ihn bemerkt hatte. Er fixierte eisern die noch immer unverständlichen Pinselstriche.
    »Was ist mit ihr?«
    »Sie ist heute nicht da?«
    »Nein.«
    »War sie gestern da?«
    »Sie kann kommen und gehen, wann es ihr paßt. Sie arbeitet nicht für mich. Das habe ich auch ihrer kleinen Freundin gesagt, die hier war und sie gesucht hat – ich nehme an, die hat Sie ins Spiel gebracht?«
    »War sie hier?«
    »Die kleine Freundin?«
    »Monika Heer.«
    »Gestern, nein.«
    »Montag?«
    »Montag …«
    »Ja?«
    »Ich überlege.«
    Der Pinsel ragte bewegungslos in die Luft, aber nur ganz kurz. Was auch im Kopf dieses Mannes vorgehen mochte, es wirkte sich nicht auf seine Hände aus, die sich in ihrem eigenen Raum und ihrer eigenen Zeit bewegten, Gewohnheit einer lebenslangen Fertigkeit. Der Pinsel bearbeitete den Teller geschwind mit winzigen, zierlichen Strichen in einem dunkleren Gelbton, die den mysteriösen helleren Streifen Form gaben, wie durch einen Zauber nahmen sie die Gestalt verschiedener Figuren an, sich windende, drachenähnliche Tiere und groteske menschliche Torsi mit peitschenden Tierschwänzen.
    Berti wandte den Kopf und grinste.
    »Raphael«, sagte er. »Kennen Sie seine Grotesken?«
    »Ich glaube, ich habe so etwas schon mal gesehen …«
    »Die Fresken im Palazzo Vecchio.«
    »Das wird’s wohl sein.«
    Die Spinnenfinger griffen nach einem neuen Pinsel und begannen den Figuren schwarze, haarfeine Umrisse zu geben und winzige, stierende Augen und Schuppen hinzutupfen.
    »Sie war am Montag nicht hier, die Monika. Hübsches Mädchen. Und begabt. Da sind ihre Arbeiten.« Er deutete auf eine Reihe von Tellern an der Wand neben der Tür. Die Farben waren sparsamer und die Zeichnungen abstrakter als bei den anderen ausgestellten Stücken. Dem Maresciallo
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