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Tod in Florenz

Tod in Florenz

Titel: Tod in Florenz
Autoren: Magdalen Nabb
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fiel ein zerbrochener, staubiger Spiegel auf, der daneben an die Wand gelehnt stand. »Sie hat ihre eigenen Vorstellungen, nicht wie unsere.«
    »Sie geben ihr Unterricht?«
    »In Technik. Ihre Entwürfe sind hübsch genug, aber es braucht jahrelange Übung, bevor die Hand die Leichtigkeit für diese Arbeit bekommt. Eigentlich ist es eine sehr spezialisierte Arbeit, aber sie wollte alles über Töpferei wissen, darum …«
    »Darum was?«
    »Darum ist sie am Montag, wenn sie nicht hier war, wahrscheinlich zu Moretti gegangen.«
    »Und wer ist Moretti?«
    »Ihm gehört die Terrakottafabrik ein Stück weiter unten, gleich hinter der Kurve.«
    »Warum würde sie dahin gehen?«
    »Sie brennen morgen.«
    »Und sie wollte es lernen?«
    »Nein, nein.« Der Teller war fertig, und Berti stand auf und legte ihn auf einen Stapel anderer neben der Tür, wobei er ein Stück Papier unterschob, damit er den darunter nicht berührte. Dann stand er da und wischte sich die Hände an einem staubigen Lappen ab. »Wie ich sehe, haben Sie nicht viel Ahnung von diesem Geschäft. Ich erkläre es Ihnen. Früher habe ich hier mal alles gemacht, geformt, dekoriert, gebrannt, aber vor einem Jahr oder so habe ich es aufgegeben. Ich bin nicht mehr so jung, wie ich mal war, und es hat mich mehr Zeit und Geld gekostet, als es einbrachte. Ich habe ja auch keinen Sohn, der das Ganze übernimmt … Jedenfalls habe ich meine Töpferscheibe und den Brennofen verkauft und kaufe jetzt diese Teller – schon vorgebrannt – von einer Fabrik und bemale sie. Moretti brennt sie für mich. Es ist einfacher und einträglicher, können Sie mir folgen?«
    »Ich folge Ihnen.«
    »Also, wie gesagt, die kleine Schweizerin wollte alles lernen, ihr eigenes Studio einrichten. Ich konnte ihr nur Majolika beibringen, und darum ist sie ein paarmal bei Moretti gewesen, einfach um an der Scheibe zu üben.«
    »Sie sagten, bevor er brennt …«
    »Stimmt. Deswegen – aber ich gehe jetzt rüber, wenn Sie mehr erfahren wollen. Sie könnten ihn fragen, ob sie da war. Ich habe sie seit Freitag nicht gesehen.«
    »Das mache ich.« Der Maresciallo starrte durch einen Riß im Papier auf die Bushaltestelle und die triefende, schwarze Mauer gegenüber. »Wenn dieser Moretti seine Fabrik gleich hinter der Kurve hat, dann müßte sie doch trotzdem hier aus dem Bus gestiegen sein. Man hat mir gesagt, es gibt keine andere Haltestelle vor der Stadt.«
    Bertis scharfe kleine Augen folgten seinem Blick, und er verstand.
    »Ich komme nicht immer so früh. Sie hätten mich vielleicht um diese Zeit noch gar nicht angetroffen, wenn ich das Zeug hier nicht zu Moretti rüberbringen müßte.«
    »Das Mädchen ist immer mit dem Bus gefahren, mit dem ich gekommen bin. Haben Sie ihr einen Schlüssel gegeben, damit sie hereinkonnte?«
    »Ganz bestimmt nicht.«
    »Was hat sie denn gemacht, wenn Sie noch nicht da waren?«
    »Sie hat gewartet.«
    Wieder schaute der Maresciallo aus dem Fenster auf den dichten Verkehrsstrom unter dem Nieselregen draußen. War Berti auch aufgefallen, daß sie angefangen hatten, von dem Mädchen in der Vergangenheit zu reden? Er beugte sich gerade vor und wischte mit dem Lappen seine Schuhe ab. All seine Bewegungen waren langsam, genau und fließend. So vornübergebeugt sah er mehr denn je wie eine Spinne aus.
    »Wenn Sie einen Moment warten, ich mache nur eben das Auto auf.«
    »Aber wenn es nur um die Kurve ist …«
    Wortlos deutete Berti auf den Stapel Teller und ging hinaus. Er fuhr den Wagen rückwärts bis an die Tür und öffnete die Heckklappe. Als er zurückkam, sagte Guarnaccia: »Soll ich Ihnen helfen?«
    Berti grinste nur durchtrieben. »Ich glaube nicht, daß Sie das schaffen würden.«
    Erst als Berti die Teller hochnahm, merkte der Maresciallo, daß die feine weiße Oberfläche mit der Bemalung aus einer dicken Schicht feinsten weißen Puders bestand, von der die Pinselstriche nicht ein Körnchen verschoben hatten.
    »Rohglasur. Man braucht Erfahrung, um damit umzugehen.«
    Als alles eingeladen war und der Maresciallo auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte, ging Berti zurück, um abzuschließen. Im Rückspiegel sah der Maresciallo, wie er drinnen neben der Tür stehenblieb und auf die Wand starrte, dann einen Kamm aus der Tasche zog und sich sorgfältig durchs dichte graue Haar fuhr.
    2
    Schweigend fuhren sie die weniger als hundert Meter durch den Regen. Berti fuhr sehr langsam und, so schien es dem Maresciallo, mit übertriebener Vorsicht; alle paar
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