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Tod in der Königsburg

Tod in der Königsburg

Titel: Tod in der Königsburg
Autoren: Aufbau
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Abgesandter des Erzbischofs Theodorvon Canterbury an den Hof ihres Bruders gekommen war. Zehn Monate, in denen sie manche Gefahren gemeinsam bestanden hatten und einander nahe waren. So nahe wie Bruder und Schwester.
    Das war es eben. Eadulf hatte sich ihr gegenüber immer tadellos benommen. Sie fragte sich, ob sie es sich vielleicht anders wünschte. Mönche und Nonnen lebten zusammen, heirateten, und die meisten wohnten in
conhospitae,
also in gemischten Häusern. Wünschte sie sich das? Ihr alter Mentor, Brehon Morann, hatte einmal seinen jungen Schülerinnen gesagt, die Hochzeit sei ein Fest, bei dem das Tischgebet besser sei als das Essen.
    Sie konnte sich nicht entscheiden und verließ sich eher darauf, daß Eadulf eine Entscheidung treffen, ihr einen Vorschlag machen würde. Er hatte es nicht getan. Wenn er die Heirat wollte, hätte er wohl längst davon gesprochen. Wie hieß es doch beim Propheten Amos? Mögen auch zwei miteinander wandeln, sie seien denn eins untereinander? Es war offensichtlich, daß Eadulf an einer solchen Partnerschaft nicht interessiert war. Er hatte diese Aussicht nie zur Sprache gebracht, und sie meinte, sie sollte es auch nicht, wenn er es nicht tat. Sie waren dem Thema am nächsten gekommen, als sie ihn gefragt hatte, ob er das alte Sprichwort kenne, daß eine Decke noch wärmer sei, wenn man sie doppelt nähme. Er hatte es nicht verstanden.
    »Findest du es richtig, Cashel zu dieser Zeit zu verlassen?« fragte er erneut.
    Sie riß sich von ihren Gedanken los. »Ja, einfach zum Ausruhen, wie ich sagte. Es gibt einen alten Spruch, daß man zum Ausruhen der Augen und des Geistes am besten die Konturen der fernen Berge verändert.« Sie sah ihn ernst an. »Du bistschon lange von deiner Heimat Seaxmund’s Ham fort, Eadulf. Hast du nicht das Bedürfnis, zu deinem Volk zurückzukehren und so ebenfalls die Konturen der Berge zu verändern? Du hast auch eine Pflicht gegenüber Erzbischof Theodor.«
    Eadulf schüttelte sofort den Kopf. »Ich habe nie genug von diesem Land und von . . .« Er errötete und führte den Satz nicht zu Ende. Er war verwirrt. Ein Sprichwort seines Volkes lautete: Geh mit deiner Sichel nicht auf das Feld eines anderen. Es war klar, daß Fidelma nicht dasselbe fühlte wie er, sonst hätte sie nicht seine Rückkehr nach Canterbury vorgeschlagen. Sie hatte anscheinend nicht einmal bemerkt, daß er seinen Satz nicht beendet hatte.
    »Dein Erzbischof muß dich doch brauchen. Du kannst deine Rückkehr nicht viel länger aufschieben. Welche Zeit wäre besser für uns beide, aus Cashel aufzubrechen – du zu deinem Heimatland und ich zu diesen neuen Bergen?«
    »Ist es wirklich die richtige Zeit?« fragte Eadulf noch einmal.
    »Irgend jemand hat mal gesagt, es gäbe immer eine Zeit, einen Ort zu verlassen, selbst wenn man nicht genau wüßte, wohin man geht.«
    »Aber hier ist Beständigkeit, Fidelma«, wandte Eadulf ein. »Ich fühle mich hier schon wie zu Hause. Ich würde Wege finden, hier zu bleiben, trotz der Forderungen aus Canterbury. Diese Berge möchte ich immer wieder sehen. Der Fluß dort unten ist das Wasser, an dem ich ruhen, in dem ich täglich meine Füße baden möchte.«
    Fidelma wartete in der Hoffnung, er werde sagen, was sie von ihm hören wollte. Als er es nicht tat, lächelte sie traurig.
    »Heraklit sagt, man kann nicht zweimal in denselben Flußsteigen, weil ständig andere Wasser hineinfließen. Das einzig Beständige, Eadulf, ist der Wechsel.«
    Sie streckte die Arme aus und gähnte, das Gesicht der untergehenden Sonne zugewandt. Einen Moment hing diese als ein glühendes Oval über dem Horizont, dann war sie plötzlich verschwunden, und dunkle Schatten ergossen sich über das Land. Sie erschauerte leicht vor der Kälte, die jäh über den mächtigen Felsen von Cashel strich.
    »Incidis in Scyllam cupiens vitare Charybdim«,
murmelte Eadulf. »Du gerätst in die Scylla, wenn du versuchst, der Charybdis zu entgehen.«
    Fidelma hob eine Augenbraue. »Du meinst, ich versuche vor etwas zu fliehen, das ich für schlecht halte, und werde dabei in Schlimmeres geraten? Nein, ich brauche einfach einen Wechsel, das ist alles, Eadulf. Beständigkeit kann auch langweilig werden.«
    Im Hintergrund begann eine Glocke feierlich zu schlagen.
    »Das Abendessen, Eadulf. Gehen wir hinein und vertauschen diese Abendkälte mit der Wärme eines schönen Feuers.«

Informationen zum Buch
    Der Keltenkrimi mit Schwester Fidelma
    Irland im 7. Jahrhundert: Im Kloster Imleach
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