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Tod im Moseltal

Tod im Moseltal

Titel: Tod im Moseltal
Autoren: Carsten Ness
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vornherein nicht nur die Absicht verbunden hatte, in gemeinsamen Erinnerungen zu schwelgen. »… in Ruhe alte Zeiten aufwärmen.«
    »Wie lange kennen Sie Frau Spiegelrodt?«
    »Ich kenne Marion seit der achten Klasse. Sie war genau wie ich neu im Internat und hatte keine Freunde. Ich selbst stand als Adelssprössling bei meinen Altersgenossen nicht so hoch im Kurs. Und sie, nun, auch sie hatte Anpassungsschwierigkeiten. Wir wurden von den anderen entweder geschnitten oder offen angefeindet. Um uns behaupten zu können, taten wir uns zu einer Art Zweckgemeinschaft zusammen: Ich übernahm die Organisation, sie die Durchführung. Das war zwar nicht immer das perfekte Rollenverhältnis, aber dafür sehr effektiv. Es dauerte nicht lange, bis wir die etablierten Grüppchen aufgemischt hatten und Marion das einzige Mädchen im Jahrgang war, das von den Jungs respektiert wurde.«
    Auf Buhles Stirn war erstmals eine Bewegung zu erkennen, seit er sich der Statik des Türrahmens angepasst hatte. Nur für den Hauch eines Augenblicks hoben sich die Augenbrauen ein kleines Stück, aber doch deutlich wahrnehmbar. »Sie sind ein Sohn des Unternehmers Philipp von Steyn?«
    Thomas nickte. »Ja. Ich habe ziemlich bald nach meiner Volljährigkeit das ›von‹ abgelegt. Mein Vater hat mir das bis heute nicht verziehen. Im Nachhinein war es wohl auch übertrieben, aber damals wollte ich mit meiner Familie nichts zu tun haben. Unserer adligen Vergangenheit hatte ich es schließlich zu verdanken, dass ich auf dieses Internat abgeschoben wurde. Meinte ich zumindest.«
    »Auf welchem Internat waren Sie?«
    »Auf einem Internat im Odenwald.« Thomas schaute den Kommissar bei seiner Antwort an. Wie erwartet zeichneten sich Spuren erhöhter Aufmerksamkeit in das Gesicht seines Gegenübers.
    Buhle beließ es aber wieder bei einem leichten Stirnrunzeln und dem Heben einer Augenbraue. »Wie ging es weiter mit Ihnen und Frau Spiegelrodt?«
    »Wir machten bis zur Oberstufe praktisch alles zusammen. In der Schulzeit sowieso, später manchmal auch in den Ferien. Wir waren eine regelrechte Symbiose. Dann verliebte Marion sich in einen Studenten und hatte plötzlich andere Interessen und Freunde.«
    Buhles Aufmerksamkeit schien wieder zu sinken, was Thomas irritierte. Aber er war froh, endlich reden zu können, zumal bislang keine verfänglichen Fragen kamen.
    Hinter den Kommissar war kurz ein Kollege getreten, der Buhle leise etwas mitteilte. Buhle nahm es ohne sichtliche Regung zur Kenntnis. »Aha, Herr Steyn, und …?«
    »Wie, und?«
    »Herr Steyn, Sie haben in der Schilderung Ihrer Beziehung zu dieser Marion Spiegelrodt oder Schroeder vor etwa zwei Jahrzehnten aufgehört. Sie sehen mich höchst gespannt, wie es weiterging.«
    Thomas hatte den Faden verloren. Hatte er schon den gemeinsamen Atlantikurlaub erwähnt? Vielleicht sollte er ihn ohnehin übergehen.
    »Nach dem Abi ging Marion nach Berlin, wohnte zuerst bei einer Cousine. Wir verloren uns schnell aus den Augen. Sie war mehrmals umgezogen, und ich wusste nicht mehr, wo sie wohnte. Als sie mich dann vor ein paar Monaten bei ›wkw‹ ansprach, habe ich zunächst gar nicht gewusst, welche Marion das am anderen PC sein sollte.«
    »Nutzen Sie häufig soziale Netzwerke wie ›wer-kennt-wen‹?«
    »Eigentlich nicht. Ist manchmal aber ganz interessant, was Bekannte und Geschäftspartner so machen.«
    »Sie haben also schon früher Kontakt mit ehemaligen Schulfreunden oder besser Schulfreundinnen gesucht?«
    »Nein, die Leute aus der Schulzeit interessieren mich nicht sonderlich. Wie schon gesagt war es auch Marion, die mich irgendwie ausfindig gemacht hatte.«
    »Stimmt, das hatten Sie erwähnt. Wie haben Sie dann erkannt, welche Marion es war?«
    »Als sie unseren alten Code nannte, hat es bei mir geklingelt.«
    »Code?«
    Buhle war abgelenkt, weil jetzt ständig Beamte an ihn herantraten, um ihm leise ihre Meldungen zu erstatten. Obwohl Thomas versuchte, den Inhalt von den Lippen abzulesen, bekam er nur einzelne, nicht zusammenhängende Wortfetzen mit, auf die er sich keinen Reim machen konnte.
    »Ja. Wir hatten einen Code für bestimmte Situationen. Wenn wir überzogen hatten und die Stimmung kippte, war es das Zeichen zum Abhauen. Wenn uns etwas zu langweilen drohte, war es der Startschuss, etwas loszumachen. Marion war der Code zwar egal, aber für mich war es ein Stück Sicherheit, dass sie auch mitzog.«
    »Mein Kompliment, Herr Steyn.« Buhle hatte sich langsam vom Türrahmen gelöst
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