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Tod im Moseltal

Tod im Moseltal

Titel: Tod im Moseltal
Autoren: Carsten Ness
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grau-schwarz meliertem Haar im Eingangsflur auf.
    »Schon gut, Niko, lass Frau Dr. Steyn in ihr Haus und schick die beiden Helden da vorne wieder zurück zum Absperrband.« An Marie gewandt fuhr er fort: »Ich bin Christian Buhle von der Kriminalpolizei Trier. Folgen Sie mir bitte, Frau Steyn, am besten in das Kinderzimmer Ihrer Tochter, da ist es momentan wohl am ruhigsten.«
    Der Mann ging zurück in Richtung Flur. Marie bewegte sich keinen Zentimeter. Zuerst die zwei Empfangstrottel, dann der uniformierte Autofreak und nun ein Schatten von Kriminalpolizist, der plötzlich auftauchte und genauso schnell wieder verschwinden wollte. Dieses Sammelsurium deutscher Polizisten, die sich anmaßten, sie in ihrem Haus herumzukommandieren, machte sie perplex und gleichzeitig unglaublich wütend.
    »Wo ist mein Mann?« Ihre Stimme vibrierte deutlich bei den vier langsam und bestimmt gesprochenen Worten. Sowohl die beiden Schutzpolizisten als auch der Alfa-Kenner gingen etwas auf Distanz zu ihr. Nur Buhle schritt unbeeindruckt weiter zur Treppe.
    »Auch oben«, bemerkte er trocken, bereits auf der ersten Treppenstufe angelangt.
    Marie schloss die Augen und sog ein weiteres Mal hörbar Luft durch ihre schmalen Nasenflügel ein. Nach einigen Sekunden folgte sie ihm ohne ein weiteres Wort.
    Die drei zurückbleibenden Polizisten atmeten spürbar aus. »Respekt, die hat Feuer«, sagte einer der beiden Schutzpolizisten offensichtlich beeindruckt. Fast synchron schoben die beiden jungen Beamten ihre Schirmmützen zurück und wischten sich mit den Handrücken über die Stirn.
    Nikolas Steffen, Mitarbeiter im Team von Kommissar Buhle, starrte die beiden ungläubig an. »Mensch, ich mach euch gleich Feuer unter euren Ärschen«, schnauzte er sie an. »Seid ihr nicht mal in der Lage, zu zweit eine Frau aufzuhalten? Ab, zurück zur Straße, und wenn …«
    Er stutzte, blickte kurz über die Schulter ins Haus und verharrte einen Moment.
    »Du gibst mir jetzt die Schlüssel, und dann rührt ihr euch da vorn nicht mehr von der Stelle.«
    Kaum hatte er die beiden eingeschüchterten Kollegen passiert, zogen sich seine Mundwinkel zu einem genüsslichen Grinsen nach oben, und die Autoschlüssel schwangen klingend unter seinen Fingern.
    Auf der Treppe zum Dachgeschoss spürte Marie, dass ihre weiße Bluse feucht und klamm war. Die Raserei hierher hatte ihr zugesetzt und so manchen kalten Schweißausbruch hervorgerufen. Die kaputte Heizung im Auto hatte sie zwar während der Fahrt nicht vermisst, es hatte aber doch dazu geführt, dass sie jetzt etwas ausgekühlt war.
    An der Wand im Flur hing schon seit Jahren ein Bild ihres Sohnes. Mattis hatte es im Kindergarten gemalt. Es zeigte einen Olivenbaum auf einer Wiese mit Blumen und Schmetterlingen; im Hintergrund war blauer Himmel mit einer riesigen Sonne zu sehen. Marie liebte dieses Bild, wie sie auch die Zeit vermisste, die die Kinder im deutsch-französischen Kindergarten oben auf der Höhe verbracht hatten. Es war eine schöne Zeit gewesen, als sie abends von der Uni kommend erst Mattis und später dann auch Nora abholte. Sie hatte immer noch ein nettes Schwätzchen in ihrer Muttersprache gehalten, und irgendwann gelang es ihr dann auch, Mattis wieder einzufangen, der partout nicht nach Hause wollte. Nora dagegen wollte immer sofort auf ihren Schoß, konnte da aber auch mal ein Viertelstündchen verweilen, während Marie sich mit den Erzieherinnen austauschte.
    Sie war vor dem Bild stehen geblieben. Es war unglaublich: Ein hundertmal betrachtetes Bild ihres Sohnes konnte sie von einem Augenblick zum anderen aus diesen furchtbaren Geschehnissen herausreißen. Sie schaute die Treppe hoch und sah den Kommissar, der die Tür zu Noras Zimmer aufhielt.
    »Gehen wir kurz in das Zimmer Ihrer Tochter, bevor ich Sie zu Ihrem Mann bringe?«
    Marie nickte stumm und folgte ihm in das Kinderzimmer.
    Nora hatte natürlich nicht aufgeräumt, bevor sie zur Oma gefahren waren. Marie schob die Kuscheltiere und die rosa Playmobil-Jacht zur Seite, setze sich aufs Bett und sah von unten zu Buhle auf. Eine blöde Position, dachte sie. Der Kläger steht über der Angeklagten.
    Sie wollte gerade wieder aufstehen, als der Kommissar sagte: »Bleiben Sie ruhig sitzen und ruhen Sie sich etwas aus, Frau Steyn. Das ist für Sie sicher purer Stress. Soll ich mich besser auch setzen?« Er zog den kleinen Drehstuhl vom Schreibtisch zu sich, beließ die eingestellte Höhe und hockte sich auf die zu kleine Sitzfläche.
    Marie
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