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Tod im Moseltal

Tod im Moseltal

Titel: Tod im Moseltal
Autoren: Carsten Ness
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Gästezimmer, wo eigentlich Marion sein sollte …«Er stutzte. »Natürlich nicht tot, Marion, meine ich. Ach Marie, es ist eine einzige große Katastrophe hier. Das ganze Haus ist voller Polizei. Die nehmen alles durcheinander, auseinander, meine ich. Ich bin ganz durcheinander. Ich meine, warum muss diese verflucht tote Frau ausgerechnet in unserem Gästezimmer liegen? Es gibt Tausende von Gästezimmern …«
    »Marion? Eine Tote?« Maries Stimme klang plötzlich kalt und distanziert.
    Auch Thomas wurde es kalt. »Marion Schroeder«, presste er heraus. »Sie … sie ist weg. Stattdessen diese Tote. Marion ist weg.« Die letzten Worte waren reine Resignation.
    »Pass auf, Thomas, hör mir ausnahmsweise einmal gut zu.« Marie klang jetzt gefasst. »Hast du schon mit der Polizei geredet?«
    Thomas nickte am anderen Ende der Leitung, ohne zu realisieren, dass Marie das natürlich nicht sehen konnte.
    »Thomas, antworte!«
    Er stieß ein undeutliches »Nein« in sein Smartphone.
    »Wenn du etwas mit der Toten zu tun hast, dann halt den Mund, bis ich da bin. Wenn du nichts mit ihr hattest, dann erzähl der Polizei, was du weißt. Aber nur das, was du ganz sicher weißt. Klar? Alles andere behältst du erst mal für dich. Dich kann keiner zwingen, etwas zu sagen, verstanden? … Hast du mich genau verstanden?«
    »Ja.«
    »Gut. Ich lass die Kinder bei Mama. Mit der Kiste von Pierre bin ich in einer guten Stunde bei dir. Schaffst du das so lange?«
    »Ja.«
    Es war das erste Mal seit Stunden, dass Thomas so etwas wie Erleichterung spürte. Er hielt das Handy noch fest in der Hand, als Marie vermutlich schon längst wieder bei den Kindern war, um ihnen etwas zu erzählen, wie dass ihr Vater plötzlich von einem sehr ansteckenden Virus befallen und deshalb sehr krank sei und sie deshalb allein nach Hause zurückfahren müsse, um den Papi wieder gesund zu pflegen.
    »Sie haben auch eine erstaunlich sympathische Frau, Herr Steyn.«
    Wie lange Buhle bereits mit der Schulter im Türrahmen lehnte, wusste Thomas nicht. Er hatte ihn nicht kommen gehört. Irritiert legte er das Handy auf den Glastisch. Hatte ihn sein so ausgeprägter Gehörsinn seit gestern Abend denn völlig verlassen?
    »Sie haben auf die Wiederwahltaste gedrückt. Ist das Ihre Frau am Telefon?«
    Thomas starrte zuerst Kommissar Buhle, dann das Telefon an, bis er begriff, was gemeint war, und einfach auflegte.
    »Kommt sie ohne die Kinder?«
    »Ja.«
    Mehr fiel Thomas nicht ein. Dieser Mensch da, wie er dieser ganzen Sache so arrogant gelassen gegenüberstand, war ihm alles andere als geheuer. Er blockierte ihn. Die ganze Zeit schon umgab er sich mit einer Aura, als ob er alles klar durchschauen würde, als ob er nur noch ein wenig warten wollte, bis auch die anderen endlich kapierten, was geschehen war.
    Thomas kapierte eindeutig nichts. Er hatte noch immer keinen blassen Schimmer, wer diese Frau war, die in seinem Gästebett lag. Er wusste nicht, wo Marion abgeblieben war. Er hatte keine Ahnung, wie er das ganze Drama seiner Frau, seinen Kindern und den anderen erklären sollte. Und vor allem war ihm völlig schleierhaft, was dieser Buhle wusste, ahnte oder sonst wie dachte.
    Der Ameisentrupp schien sich langsam aufzulösen. Die fremden Geräusche in den Zimmern wurden immer leiser. Langsam nahm Thomas wieder die vertraute Melodie seines Hauses wahr. Er hatte sie immer mit guter Jazzmusik verglichen, mit ruhigem, aber bestimmtem und stets individuellem Jazz wie etwa von Keith Jarrett, der im ersten Teil des »Köln Concert« mit einer ganz leichten Verzögerung des Tastenanschlags die wohl genialste Pause der Musikgeschichte komponiert hatte.
    Die Pause nach seinem letzten »Ja« kam Thomas allerdings alles andere als genial vor. Buhle schien sie zu genießen. Er stand mit ruhendem, aber wachem Blick immer noch im Türrahmen; sogar ein leichtes, genüssliches Lächeln hatte sich auf seine extrem schmalen Lippen verirrt. Dann aber blickte er Thomas unvermittelt und direkt in die Augen. Diese eisblaue Iris hätten dem Mann zu Weltruhm auf der Leinwand verhelfen können, wenn sie nicht diese beispiellose Härte verinnerlicht hätten.
    »So langsam dürften Sie aufgewacht sein, Herr Steyn. Also, versuchen Sie es doch mal mit ein paar erklärenden Worten. Die dafür notwendigen Fragen können Sie sich nach Ihrem offenbar ausgiebigen Studium der neueren skandinavischen Kriminalliteratur sicher selbst denken.«
    Buhle hatte natürlich nicht nur Lenin registriert,
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