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Tod im Jungfernturm

Tod im Jungfernturm

Titel: Tod im Jungfernturm
Autoren: Anna Jansson
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verdammt.
    Es erstaunte Trygvesson, daß er so methodisch und völlig ohne Gefühle handeln konnte. Vielleicht hatten die vielen Jahren bei der Kripo ihn hart gemacht. Es war, als stünde er neben sich und schaute sich selbst zu, während er Svea einschläferte, als sei sie ein altersschwacher Hund …
    Und dann Birgitta. Was hätte er tun sollen? Es gab kein Zurück mehr. Woher hätte er wissen sollen, daß Arne und sie …? Sie wohnten ja nicht einmal zusammen. Und wenn er es gewußt hätte, hätte er dann gezögert? Sich selbst angezeigt und um Arnes willen ihr Leben geschont? Vielleicht.
    Jetzt war nur noch Mona übrig. Wenn sie erst aus dem Weg geräumt war, war alles vorbei. Henrik Dune würde schuldig gesprochen werden. Wenn sich die Medien auf den Schatz von Valdemar Atterdag stürzten, würde man ein schnelles Gerichtsverfahren und einen Schuldigen brauchen. Er würde sich ihnen gegenüber offen und entgegenkommend zeigen, und Dune würde hinter Gittern laden. Dann wäre es endlich vorbei.

    Es war gerade Mittagspause, und die halbe Belegschaft des Krankenhauses lag draußen auf dem Rasen in der Sonne. Die Anzeigen, mit denen Arbeitskräfte für den Sommer angeworben wurden, versprachen eine höhere Anzahl Sonnenstunden als auf dem Festland, aber keine höhere Bezahlung. Jetzt lagen sie im Gras und kassierten ihren Lohn. Niemand schien ihn zu bemerken, wahrscheinlich war er zu alt für die jungen Damen.
    Seit sie zwei Jahre zuvor einen Taschendieb im Krankenhaus gesucht hatten, wußte Trygvesson, wo die Arbeitskleidung aufbewahrt wurde. Er mußte nur mit jemandem mitgehen, der mit seiner Codekarte öffnete. Wenn man normal und anständig aussieht, ist die Gefahr, kontrolliert zu werden, gleich null. Er konnte gut behaupten, ein Arzt vom Festland zu sein, und wer würde sich schon mit einem Arzt anlegen?
    Im weißen Arztkittel betrat er die Infektionsstation. Der Flur lag verlassen da. Aus dem Schwesternzimmer waren ein paar Stimmen zu hören. Er ging schnell vorbei. Niemand schien zu reagieren. Angeblich lag Mona im Raum zehn, der keinen separaten Ausgang nach draußen hatte. Drinnen herrschte Dämmerlicht. Die Jalousie war heruntergelassen, und das leise surrende Geräusch der Klimaanlage lag wie ein einschläfernder Gesang über dem Zimmer. In einer Vase aus Edelstahl standen zehn rote Rosen auf dem Nachttisch. Im Bett lag jemand mit dem Gesicht zum Fenster. Es war schwer zu sagen, ob sie schlief. Die Atembewegungen unter der gelben Decke waren ruhig und langsam. Wie lange kann ein Mensch ohne Sauerstoff auskommen? Mindestens drei Minuten. Drei Minuten Kampf, ehe sie das Bewußtsein verlieren würde, und dann zur Sicherheit noch einen Moment länger.
    Trygvesson sah auf die Uhr über dem Sessel. Wenn er ihr Gesicht nicht sehen mußte, wenn sie keine Gelegenheit bekam, mit ihm zu reden, dann würde er es schaffen. Der Druck auf der Brust raubte ihm fast den Atem. Er nahm die Handschuhe aus der Hosentasche und zog sie mit Mühe über seine schweißnassen Hände. Mona bewegte sich ein wenig im Bett und schob sich die Decke von den Füßen. Trygvesson holte tief Luft. Jetzt …
    »Hallo, Sie! Was machen Sie da?« Er hatte die sanften Schritte nicht gehört. Jetzt stand sie in der Türöffnung, wie ein Engel des Lichts. Eine unerwünschte Erscheinung in Weiß. Trygvesson eilte zur Tür und stieß sie mit solcher Kraft beiseite, daß sie zu Boden fiel. Die Frau schrie, Mona schrie von drinnen aus dem Zimmer, von der Küche her kam eine andere Frau auf ihn zu. Kein zartes, kleines Wesen, sondern ihm ebenbürtig, dieselbe Gewichtsklasse.
    Als Maria Wern und Tomas Hartman fünf Minuten später auf der Station ankamen, fanden sie Trygvesson in der Küche, wo er von einer kräftigen Krankenschwester mit einer abgeschlagenen Flasche in der Hand an die Wand gedrückt wurde.
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