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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus
Autoren: Wolf Serno
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stand nun Auge in Auge der Gastgeberin gegenüber, einer dicklichen, ältlichen Person, die ihrem erhitzten Gesicht mit einem Fächer Kühlung zu verschaffen suchte.
    »Ich bin entzückt, dass Ihr es einrichten konntet, Monsieur«, quäkte Elsa Lüttkopp, die Frau von Berendt Lüttkopp, seines Zeichens Mitglied der Erbgesessenen Bürgerschaft zu Hamburg. »Quelplaisier, quelplaisier!« »Äh ... jawohl.«
    »Ich weiß gar nicht, wie viele Herrschaften kommen, mon eher, aber wenn wirklich alle kommen würden, pour Vamour de Dieu ...!«
    Kapp spürte, wie ihn ein Wirbel aus Unbehagen und Unsicherheit fortzureißen drohte. Er war Einzelgänger, lebte zurückgezogen und fühlte sich nur seiner Profession verbunden. Empfänge, auf denen Menschenmengen herumstanden und unwichtiges Zeug daherschwatzten, mied er gewöhnlich wie der Teufel das Weihwasser. Aber nun hatte er sich darauf eingelassen und musste die drangvolle Enge, die dünstenden Leiber und die französischen Wortfetzen um sich herum ertragen. Es widerstrebte ihm zutiefst, die Dicke mit »Madame Lüttkopp« anzureden, ja, ihr womöglich noch einen Kuss auf die Patschhand hauchen zu müssen. • Ahm ...«, setzte er an und stellte fest, dass sie schon weitergeeilt war, um sich auf das Angeregteste mit einem soeben eingetretenen Paar zu unterhalten.
    Rapp atmete auf und fühlte gleichzeitig einen Stoß im Rücken, der von einem Tablett herrührte.
    »Coffee, Thee, Konfekt, Monsieur?«, näselte ein Bediensteter. »Ahm ...«, machte Rapp abermals. Er nahm, wenn überhaupt, lieber Chocolate, aber von diesem Getränk war weit und breit nichts zu sehen, vielleicht, weil zu seiner Aufbereitung Honig, Vanille, Anis, Muskat, Zimt und anderes benötigt wurde. Wie selbstverständlich drückte der Diener ihm eine Coffeetasse in die Hand. »Zucker zum Süßen, Monsieur?« »Äh ... nein.« »Kardamom?« »Nein, nein!« Der Mann verschwand.
    Obwohl es mittlerweile noch voller geworden war, kam Rapp sich sehr verloren vor. Jeder redete mit jedem - nur nicht mit ihm. Allongeperücken und lange Gehröcke bestimmten bei den Herren das Bild; beim schönen Geschlecht herrschten die neuen Puderfrisuren vor, dazu tiefe Dekolletes und die wieder in Mode gekommenen ausladenden Reifröcke. Ein guter Teil des Hamburger Bürgeradels schien sich hier ein Stelldichein zu geben. Rapp selbst trug ebenfalls Perücke, allerdings eine, die ihm geringfügig zu groß war, dazu einen Gehrock aus weinrotem Tuch mit schwarzen Knöpfen. Es war ein Stück, das schon einen Vorbesitzer gehabt hatte und demzufolge - wie seine künstliche Lockenpracht - im Sitz etwas zu wünschen übrig ließ. Doch Rapp focht das nicht weiter an; er gab sein Geld lieber für Wichtigeres aus.
    Die Coffeetasse in der Hand, ließ er, so weit dies überhaupt möglich war, seinen Blick schweifen. Er befand sich in einem Raum, dessen hohe Wände mit feinster lindgrüner Seidentapete bespannt waren, eine Ausstattung, die sicher ein Vermögen gekostet hatte. Aber Berendt Lüttkopp zählte beileibe nicht zu den Armen der Stadt, im Gegenteil, seine Tätigkeit in der Bürgerschaft ließ ihm noch genügend Zeit, ein überaus erfolgreicher Reeder und Kaufherr zu sein.
    Wo ist der Mann überhaupt?, fragte sich Rapp. Auf der Karte, die ihm am Morgen durch einen Boten überbracht worden war, hatte gestanden:
     
     
    Invitation
    Monsieur und Madame Lüttkopp
    wären entzückt über die Ehre Eures Besuchs
    am Sonnabend, den 24sten October 1716,
    1/4 auf 8 Uhr am Abend,
      Palais Lüttkopp, Große Johannisstraße
     
    Also musste der Hausherr irgendwo sein. Doch Rapp konnte niemanden, der dafür in Frage kam, erspähen. Wahrscheinlich plauderte der Gastgeber mit irgendwelchen Honoratioren. (Stattdessen fielen ihm drei in schlichtes Schwarz gekleidete Männer auf, deren olivfarbene Haut sie als Südländer auswies. Sie wirkten unsicher und nervös, und Rapp fragte sich gerade, woran das liegen mochte, als sich einer von ihnen - heftig an seiner Tonpfeife ziehend - an ihn wandte. »Scusi, Signore !«, rief er mit lebhafter Stimme, »habt Ihr, äh,vielleicht Zeit für mich?«
    Rapp stutzte und fühlte sich unangenehm berührt. Wieso sollte er Zeit für einen Menschen haben, der ihm wildfremd war und dessen Figur ihn an eine Kaulquappe aus der Familie der Bufonidae erinnerte, an eine stattliche zwar, aber trotzdem... »Ahm, ich fürchte, ich kann Euch nicht ganz folgen.« -Zeit von Uhr, Signore! Uhrzeit! Habt Ihr?«
    »Ach so.« Rapp spürte
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