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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus
Autoren: Wolf Serno
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des Meinardus Schlich verscharrt sei, und im Übrigen würde er jetzt überhaupt nichts mehr sagen.
    Teodorus Rapp kümmerte das alles wenig. Er sorgte dafür, dass Ladiges einen Wink bekam, wo der Thesaurus verborgen sei, und gab sich freudig überrascht, als der Büttel bei ihm erschien, um mitzuteilen, die Exponate befänden sich im verlassenen Kroogmann'schen Haus.
    Wieder im Besitz der kompletten Sammlung, schwebte er auf Wolken des Glücks, fasste sich ein Herz und hielt um Mines Hand an. Beide heirateten zum Jahresende in St. Nikolai. In den folgenden Monaten war die frisch gebackene Frau Apotheker nicht nur eine willkommene Hilfe in der Offizin, sie verstand es auch mit viel Geschick, die Sammlung um das eine oder andere Exponat zu erweitern. Dies jedoch war nicht immer leicht, da in Europa kaum mit Naturalien gehandelt wurde. Umso erstaunter war die Gelehrtenrepublik, als sie Anfang 1717 erfuhr, Zar Peter habe dank der Vermittlung seines Beraters Robert Areskin kostbare Kuriosa in Amsterdam erwerben können: eine treffliche Sammlung von anatomischen Präparaten, an der ein Wissenschaftler namens Friedrich Ruysch vierzig Jahre lang gearbeitet hatte, dazu eine beträchtliche Anzahl illustrierter Blätter der berühmten Tier- und Pflanzenmalerin Sybilla Merian und nicht zuletzt den großen Thesaurus aller bekannten Land- und Meerestiere, der dem Apotheker Albertus Seba gehörte. Seba sagte man nach, er habe keinerlei Bedenken gehabt, sich von seinen Exponaten zu trennen. Im Gegenteil, er habe seine Schätze dem Zar sogar schriftlich angeboten, und zwar mit den vollmundigen Worten:... und sind keine Cabinets in ganz Europa, worinnen solche viele rare Stücke gefunden werden!
    Glück, so groß es auch sein mag, ist dennoch vergänglich. Das musste auch Teodorus Rapp erfahren. Denn am Weihnachtstag desselben Jahres wurde ganz Norddeutschland von einer schweren Sturmflut heimgesucht, bei der Mine zum grenzenlosen Kummer ihres Gatten ertrank.
    Rapp selbst lebte noch viele Jahre, zurückgezogen und ausschließlich seiner Sammelleidenschaft frönend. Zeit seines Lebens konnte er Mine nicht vergessen. Der einzige Mensch, dem er sich uneingeschränkt verbunden fühlte, war Fixfööt, der mit ihm unter einem Dach wohnte. Rapp verschied hochbetagt Anno 1764.
    Albertine Kruse, die Frau mit den eingebildeten Leiden, überlebte ihn sogar noch. Sie wurde bei guter Gesundheit neunundachtzig Jahre alt und starb friedlich im Schlaf. Ihre Stieftochter Isi war nicht dabei, sie hatte ihr schon Jahre zuvor den Rücken gekehrt und war nach Amrum, dem Geburtsort ihres leiblichen Vaters, gegangen.
    Das Apothekenhaus Rapp und die darin befindliche einmalige Sammlung fielen, da ihr Besitzer keine Erben hinterließ, an die Stadt, die beides an einen neuen Eigentümer veräußerte. So überdauerten die liebevoll zusammengetragenen Stücke noch weitere Generationen, bis sie im Jahre 1842 beim großen Hamburger Brand ein Raub der Flammen wurden. Den beiden namenlosen Kosaken schließlich gelang die Flucht aus der Fronerei, noch bevor man ihnen die Daumenschrauben anlegen konnte. Wie sie es anstellten und wer ihnen dabei half, sollte niemals ans Licht kommen; ebenso wie im Unklaren blieb, woher Franz Witteke so plötzlich auftauchte und warum es ihm gelang, wieder so spurlos zu verschwinden. Es sind die Geheimnisse einer großen Stadt.
     
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