Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
bedeutete, sie musste noch eine halbe Stunde warten, bis die ersehnte Tür sich öffnete. Zu dumm, dass der Apotheker Rapp seine Ladenzeiten so drastisch gekürzt hatte, und obendrein eine Rücksichtslosigkeit, wenn man bedachte, wie schlecht ihr Befinden war!
    Unschlüssig verharrte sie, während um sie herum die längst erwachte Stadt emsig ihrer Arbeit nachging. Nein, sie würde nicht umkehren, das lohnte sich nicht. Dann würde sie eben ausharren, bis es elf Uhr war. Entschlossen schritt sie weiter. Doch als sie das Apothekenhaus Rapp erreicht hatte und durch eines der Fenster in die Offizin lugte, erlebte sie eine Überraschung: Der Herr Apotheker war bereits da und der Laden geöffnet! Freudig erregt betrat sie das Haus - und erlebte die zweite Überraschung. Anstelle des Gehilfen Hauser stand dort eine Frau, eine hübsche Frau sogar, die nicht besonders elegant, aber adrett gekleidet war und ein Schultertuch umgelegt hatte, das von einer silbernen Spange zusammengehalten wurde. Die Spange sah aus, als hätte sie ein stattliches Sümmchen gekostet, und passte eigentlich nicht zu ihrem übrigen Aufzug. Der Apotheker selbst trug wie immer seinen weinroten Gehrock mit den schwarzen Knöpfen. Er saß auf dem Stuhl, auf dem er in letzter Zeit stets gesessen hatte, und - das war die dritte Überraschung - las Zeitung. Die Frau blickte ihm dabei über die Schulter.
    »Meine-Schlafstörungen-meine-Schlafstörungen!«, rief die Kruse anklagend. »Was-mache-ich-nur-wo-ist-der-Gehilfe-Hauser-er-weiß-doch-immer-Rat-immer-Rat?« »Einen Augenblick.« Der Apotheker studierte das Blatt in Ruhe weiter.
    Die Witwe trat von einem Bein aufs andere. »Was-lest-Ihr-denn-da-was-lest-Ihr-denn-da?« »Die     Montagausgabe    des    Hamburger   Relations-Couriers.
    Schaut selbst.« Er stand auf und reichte ihr die Zeitung, nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Frau ebenfalls zu Ende gelesen hatte.
    Hastig griff die Witwe nach dem Blatt und bemerkte erst jetzt das stark geschwollene Auge des Apothekers. Für einen Moment kam ihre Wissensgier ins Schwanken. War die Ursache des blau schillernden Hämatoms womöglich noch sensationeller als der unerhört fesselnde Zeitungsartikel? Nein, wohl doch nicht. »Wo-soll-ich-denn-lesen-wo-denn?« »Dort.« Sein Zeigefinger wies auf einen Beitrag, der mit einem großen, verschnörkelten A begann. Die Kruse las:
     
    A m vorgestrigen Tage, Sonnabend, den 12. December, ¼ nach 3 Uhr am Nachmittage, so wurde bekannt, soll ein Überfall nahe der Börse auf ein Mitglied der Erbgesessenen Bürgerschafft zu Hamburg, Berendt Lüttkopp mit Namen, geschehen seyn. Lüttkopp ward aufgefunden nur mit einer Schifferhose und einem Spitzenhemd angetan, barfüßig und in schlechtem Zustande, was die Identifikation seiner Person erschwerte. Kopf und Leib zeigten mancherley Wunden, davon allerdings keine ernsthafte Gefahr ausging. Einem gerufenen Büttel gab er zu wissen, man habe ihn mit Kieselsteinen tractiret, geschleudert von schreienden Kindern, eine Kuchenfrau habe durch ihn hindurchge-schauet und dazu seltsame Gesänge angestimmt, ein beinloser Greis habe ihn überrollt und mit Galle bespuckt, ein Jüngling, rothaarig wie der Satan höchstselbst, habe ihn wie von Furien gehetzet umkreist und dergestalt jede Fluchtmöglichkeit zunichte gemacht. Lüttkopp, so die Information, wäre völlig von Sinnen gewesen, weshalb seine Worte nicht allzu ernst genommen werden dürften, zumal sich kein einziger Kieselstein am Boden fand und auch sonst keine Indizes für ein Verbrechen zu Tage traten.Lüttkopp ward anschließend in sein Contor transportiret, wo seine Erscheinung großes Wehgeschrei, aber auch Gelächter hervorrief. Der Relations-Courier wird seinen Lesern weiter Bericht erstatten.
     
    »Ach-Gott-der-arme-Mann-der-arme!« Die Witwe, die den Artikel halblaut und mit sich ständig bewegenden Lippen gelesen hatte, gab die Zeitung zurück. » Sicher-schreckliche-Verlet-zungen-die-der-Mann-erlitten-hat-schrecklich-schrecklich!« Das Leid des Berendt Lüttkopp hatte allerdings auch eine angenehme Seite: Es gab ihr die Möglichkeit, umgehend wieder auf ihre eigenen Nöte überleiten zu können. Sie wandte sich an die Frau: »Seid-Ihr-die-neue-Gehilfin-für-Hauser-könnt-Ihr-mir-helfen?«
    »Entschuldigt, ich hab nix verstanden.«
    Die Kruse wiederholte ihre Worte, und der Apotheker mischte sich ein: »Nein, sie ist nicht meine Gehilfin, aber ich will Euch gerne beraten, wo also zwickt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher