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Tod für Don Juan

Tod für Don Juan

Titel: Tod für Don Juan
Autoren: Colin Dexter
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erlauchten British Medical
Association wohlgemerkt —, dürfen wir ihn wohl nicht zurückhalten. Daß Spuren
verwischt wurden, ist bedauerlich, aber wir werden nun eben versuchen müssen,
die Person zu finden, die für diesen — äh — massiven Infarkt verantwortlich
ist, der zweifellos durch den Schock ausgelöst wurde, Opfer eines schnöden
Raubs geworden zu sein. Guten Abend, Herr Doktor. Und lassen Sie es sich gut
schmecken.» Morse wandte sich an Lewis. «Max soll sofort herkommen, es ist
dringend.»
    «Moment mal, Inspector —»
setzte Swain an.
    Morse aber spielte recht
überzeugend die Rolle eines Schwerhörigen, der soeben sein Hörgerät
ausgeschaltet hat, und hielt dem sichtlich verunsicherten Arzt stumm die Tür
auf.
    Im Büro des Hoteldirektors im
ersten Stock des Randolph hörte Morse die Geschichte zum ersten Mal im
Zusammenhang. Laura Stratton war kurz nach halb fünf mit ihrem Schlüssel nach
oben gegangen. Sie hatte vorher über große Erschöpfung geklagt. Auf ihrem
Zimmer hatte sie — vermutlich nachdem sie das BITTE NICHT STÖREN-Schild vor die
Tür gehängt hatte — ein Bad genommen und war um 17.20 von ihrem Ehemann Eddie
Stratton, als dieser mit einer Mitreisenden, Mrs. Shirley Brown, von einem kurzen
Gang über die Broad Street zurückkam, tot aufgefunden worden. Die Zimmertür war
geschlossen, und als sich auf sein Klopfen nichts rührte, war er sehr
beunruhigt zur Rezeption geeilt, wieder heraufgekommen und — ja, das war’s im
Grunde auch schon, alles andere war Ausschmückung und emotioneller Überbau. Bis
auf die Handtasche natürlich. Doch welcher Mann, der seine Ehefrau tot auf dem
Teppich liegen sieht, denkt daran, sich nach ihrer Handtasche umzusehen?
    Eddie Stratton war offenbar so
ein Mann.
    Er hatte seine Gründe.
     
     
     

7
     
    Fast
alle moderne Architektur ist Possenspiel. (Diogenes Small, Reflections)
     
    Das Randolph verfügte
über zahlreiche repräsentative Räumlichkeiten für Essen, Bälle, Tagungen und
Ausstellungen, Räume mit großen Namen wie Lancaster, Worcester und dergleichen,
dazu die St. John’s Suite, ein Saal mit hoher Decke im ersten Stock, in dem der
Empfang stattfand. Bei Tage sah man vom Ostfenster aus auf das Märtyrerdenkmal
direkt gegenüber mit dem Balliol und dem St. John’s College dahinter. Und
selbst jetzt, um 18.45 Uhr, als man die bodenlangen Vorhänge mit dem
Blumenmuster vorgezogen hatte, wirkte der Saal noch hell und luftig. Die beiden
Kronleuchter tauchten das in Kastanienbraun, Rosa und strahlendem Weiß
gehaltene Dekor in sanftes Licht. Selbst Janet Roscoe fand an diesem
großzügigen Raum kaum etwas auszusetzen.
    Sheila Williams, einen großen
Gin Tonic in der linken Hand, versuchte sich als liebenswürdige Gastgeberin.
«Sind alle da? Nein, noch nicht, wie ich sehe... Haben alle einen Drink?»
    Noch hatte man Laura Strattons
Tod den übrigen Mitgliedern der Reisegruppe verschwiegen, nur Sheila war
offiziell von dem traurigen Ereignis in Kenntnis gesetzt worden. Es war eine
Belastung, gewiß, aber auch ein willkommener Vorwand für eine Stärkung, obschon
Sheila um Vorwände eigentlich nie verlegen war.
    «Sie haben nichts zu trinken,
Mrs. Roscoe. Was darf ich Ihnen—»
    «Ich trinke nie, Mrs.
Williams.» Janet sah Phil Aldrich an, der ergeben neben ihr stand und ein etwas
betretenes Gesicht machte. «Das habe ich ihr schon einmal gesagt, Phil.»
    «Janet ist Diakonin in unserer
Kirche, Mrs. Williams...»
    Doch da schoß Sheila schon
zurück. «Ich hingegen trinke, Mrs. Roscoe, und zwar mit wachsender
Begeisterung. Und ich habe für meine Sucht möglicherweise ebenso triftige
Gründe wie Sie für Ihre Abstinenz. Alles klar?»
    Hochzufrieden mit dieser
gelungenen Formulierung begab sie sich wieder zu dem Tisch am Eingang, auf dem
zehn, zwölf Flaschen Gin (Booth’s und Gordon’s), Martini (französischer und
italienischer) und Sherry (Dry, Medium, Cream) die Konkurrenz der zwei großen
Krüge mit Orangensaft sichtlich aus dem Felde schlugen. Sie streckte der jungen
Dame, die über all diese Schätze gebot, ihr halb geleertes Glas hin.
    «Einen großen Gin, bitte, kein
Eis, kein Tonic mehr.»
    Entsprechend gewappnet, nahm
sich Sheila erneut den gelben A4-Bogen vor, den John Ashenden abgefaßt,
getippt, fotokopiert und verteilt hatte. Es wurde höchste Zeit, daß die Sache
in Gang kam. Von der Reisegruppe fehlten (bis auf Eddie Stratton) jetzt
offenbar nur noch Howard und Shirley Brown. Nein, bis auf Eddie und Laura
Stratton.
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