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Tod eines Lehrers

Tod eines Lehrers

Titel: Tod eines Lehrers
Autoren: Andreas Franz
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ist. Oder er wurde ebenfalls getötet und woanders abgelegt. Was soll’s, das Puzzle werden wir auch noch zusammensetzen.« Er hielt inne und sagte nach einem Moment des Nachdenkens: »Wenn ich in die Schule fahr, will ich mit Nicole zusammenarbeiten. Als ich Greulich heute Morgen gesehen habe, ist mir schon wieder die Galle hochgekommen.«
    »Du kannst Nicole haben. Hast du schon eine Vermutung, wo du ansetzen könntest?«
    »He, wie lange kennen wir uns jetzt? Ich bin kein Hellseher und auch kein Prophet. Das wird ein hartes Stück Arbeit. Wir müssen ein Motiv finden, denn irgendwer muss Schirner auf den Tod gehasst haben. Im wahrsten Sinn des Wortes.«
    Brandt griff zum Telefon und tippte die Nummer der Rechtsmedizin in Frankfurt ein, wohin alle ungeklärten Todesfälle aus dem Zuständigkeitsbereich der Offenbacher Kripo gebracht wurden. Dr. Andrea Sievers meldete sich, eine gerade mal zweiunddreißigjährige Pathologin, die Brandt schon von dem Tag vor gut drei Jahren an leiden mochte, als sie vom Chef als die neue Mitarbeiterin vorgestellt worden war, vielleicht, weil sie den gleichen morbiden Humor hatten, vielleicht aber auch, weil sie anders war als die Frauen, die er kannte, ohne dass er dieses Anders hätte definieren können. »Peter hier, hi, ich wollte nur mal fragen, ob du schon den Eisblock auf den Tisch gekriegt hast.«
    »Aber sicher doch, der Eisblock taut grade auf. Was willst du denn wissen?«
    »Zum Beispiel, wie oft zugestochen und was für eine Klinge benutzt wurde.«
    »Willst du Vermutungen oder Ergebnisse haben?«, fragte AndreaSievers. »Wir haben’s gerade mal geschafft, ihm die Klamotten auszuziehen, und jetzt fangen wir ganz langsam an zu zählen. Aber du kannst ja rüberkommen und mithelfen.«
    »Bin schon unterwegs.« Er legte auf und sagte zu Spitzer: »Ich mach mich ab in die Pathologie und nehm Nicole gleich mit. Danach schauen wir uns mal in der Schule des werten Herrn Schirner um.«
    Peter Brandt ging in das Büro nebenan, wo Nicole Eberl am Computer saß. Sie blickte auf und sagte: »Guten Morgen. Du siehst müde aus. Schlecht geschlafen?«
    »Haha. Wie würdest du dich wohl fühlen, wenn du mitten im schönsten Traum aus dem Bett geklingelt wirst? Du kannst deinen PC übrigens ausmachen, wir fahren in die Rechtsmedizin und anschließend in die Schule.«
    »Schule?«
    »Schirner war Lehrer. Seine Frau kann sich so gar nicht vorstellen, wer ihn umgebracht haben könnte. Sie hat das ganze Programm vom tollen Ehemann runtergespult. Aber sie haben in getrennten Betten geschlafen, und bei so was klingeln bei mir gleich alle Glocken. Wenn sich zwei Menschen lieben, dann schläft man auch in einem Bett. Klingt vielleicht altmodisch, aber so bin ich nun mal.«
    »Ich kenne einige Ehepaare, die getrennt schlafen und sich trotzdem blendend verstehen.«
    »Und fremd bumsen.«
    »Alter Zyniker.«
    Nicole Eberl, achtunddreißig Jahre alt, verheiratet, ein Kind, fuhr den PC runter, kam hinter ihrem Schreibtisch hervor und zog sich ihre Daunenjacke über. Sie war etwas kleiner als Brandt, hatte kurzes dunkelblondes Haar und freundliche blaue Augen. Sie war sehr schlank, fast androgyn, keine Schönheit, aber beileibe nicht unansehnlich, die meisten würden sagen, markant. Ihre Gesichtszüge waren eher herb, die Hände ähnelten Männerhänden. Das Wichtigste für Brandt aber war, sie gehörte zu denliebenswürdigsten Menschen, die er jemals kennen gelernt hatte. Ihr Mann war Architekt, der von zu Hause aus arbeitete und mit dem sich Brandt ebenfalls gut verstand. In ihrer Freizeit verfasste sie Kurzgeschichten und Kinderbücher, von denen drei bereits veröffentlicht wurden, für das letzte hatte sie sogar einen Preis erhalten, und sie konnte fast so gut kochen wie Brandts Mutter. Ihre Ehe war kinderlos geblieben, weil ihr Mann zeugungsunfähig war, aber vor zehn Jahren hatten sie ein Mädchen aus Indien adoptiert, das sich prachtvoll entwickelte und irgendwann eine richtige Schönheit sein würde. Das Mädchen war mittlerweile dreizehn und schon jetzt ein echter Hingucker, weil sie älter und reifer wirkte als die meisten andern in ihrem Alter. Älter und reifer als Sarah, die eher wie eine Zwölfjährige aussah.
    »Ich bin fertig«, sagte sie, warf einen letzten Blick zurück, um sich zu vergewissern, dass auch alles an seinem Platz war. Sie war die personifizierte Ordnungsliebe und hielt im Gegensatz zu Brandt ihren Schreibtisch stets aufgeräumt. Seit über zehn Jahren arbeiteten sie
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