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Tod einer Verrückten

Tod einer Verrückten

Titel: Tod einer Verrückten
Autoren: Magdalen Nabb
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auszustrahlen, und außerdem mögen es die Leute in dieser Gegend nicht, wenn sich die Polizei einmischt. «
    »Warum haben sie uns dann gerufen? «
    »Haben sie nicht. Wir sind auf unserer Runde zufällig vorbeigekommen und haben festgestellt, daß die Straße blockiert ist. «
    Der Maresciallo richtete sich auf. »Überlaßt sie sich selber, die beruhigen sich schon wieder. «
    Lorenzini streckte den Kopf zum Fenster heraus. Der Geräuschpegel nahm zu, und der junge Bruno war in dem Gedränge nirgends zu sehen .
    »Das geht nicht so ohne weiteres. Es macht einen schlechten Eindruck, wenn wir nicht dafür sorgen, daß die Straße geräumt wird – außerdem ist die eine Frau splitternackt, was erheblich zu dem Ärgernis beiträgt … «
    »Wieso das denn? «
    »Sie ist nicht ganz richtig im Kopf.« Lorenzini klopfte sich an die Schläfe .
    »Wo ist sie denn? «
    »Da oben. «
    »Du meine Güte …« Der Maresciallo bahnte sich den Weg zu dem Haus, vor dem sich ein Gerüst erhob, das im unteren Teil mit einem grünen Sicherheitsnetz verkleidet war .
    »Lassen Sie mich durch. «
    Die Leute achteten nicht auf ihn, traten weder beiseite, um ihn durchzulassen, noch hinderten sie ihn daran, sich an ihnen vorbeizuzwängen. Er trug keine Uniform, und kein Mensch wußte oder interessierte sich dafür, wer er war, da er nicht zu ihnen gehörte. Bruno konnte er nirgends entdecken, stellte aber fest, daß die Frauen am lautesten schrien. Ein paar Männer in Hemdsärmeln standen vor der Tür des eingerüsteten Hauses; einer von ihnen bearbeitete sie mit den Fäusten .
    »Verpißt euch!« kreischte von oben eine hysterische Stimme .
    »Laßt mich in Ruhe! «
    »Du solltest dich schämen, so ordinär herumzuschreien!« brüllte eine stämmige kleine Frau, die dem Maresciallo ihren Ellbogen in den Magen rammte, »und zieh dir um Himmels willen was über! «
    Der Maresciallo starrte wie alle anderen nach oben. Das Fenster der Wohnung im zweiten Stock war zwar nicht groß, reichte aber bis zum Boden und hatte nur ein niedriges Geländer. Die Frau, die dort oben stand, offenbar die, von der Lorenzini behauptet hatte, sie sei nicht ganz richtig im Kopf, schwenkte trotzig eine rosige Faust, die sie zwischendurch auf die unten versammelte Menge richtete, die meiste Zeit jedoch auf das Fenster gegenüber, das in dieser schmalen Straße keine drei Meter weit entfernt war. Sie war nicht ganz nackt, sondern hatte eine Art Kittelschürze an, die aber nicht zugeknöpft war und so weit aufsprang, daß sie ihren fetten rosigen Leib enthüllte; in ihrer Unbefangenheit wirkte sie wie ein zweijähriges Kind, das einen Wutausbruch hat .
    »Gib endlich Ruhe, Clementina! Mach deine Fensterläden zu, damit hier wieder Frieden einkehrt. «
    Irgendwann griff die verrückte Frau nach den Fensterläden, von denen die braune Farbe abblätterte, und knallte sie zu, stieß sie aber gleich wieder auf und ließ den nächsten unflätigen Wortschwall los .
    Es ließ sich unmöglich feststellen, worum es bei dem Streit ging; die Frau von gegenüber, deren Stimme noch heiserer klang als die der Verrückten, war nur teilweise zu sehen, da ihr Fenster kleiner war. Vielleicht hielt sie sich bewußt im Hintergrund, weil sich der Unmut der Leute auf der Straße zunehmend gegen sie richtete .
    »Du machst alles nur noch schlimmer, laß sie doch in Ruhe!« Ein dunkler Kopf schob sich über den Fenstersims, und der Maresciallo sah eine aufblitzende Brille und ein zorngerötetes Gesicht .
    »Man sollte sie einsperren! Ich hab mir schon mehr gefallen lassen, als ich verkraften kann! Und wer da unten an meiner Tür klingelt, kann ruhig damit aufhören, weil ich sowieso nicht aufmache! «
    Der Maresciallo wandte sich um und versuchte sich zur Tür gegenüber durchzuarbeiten, um festzustellen, ob da vielleicht der junge Bruno läutete, aber ein Mann, der noch größer war als er, versperrte ihm mit seinem breiten Rücken den Weg. Er hörte eine wütende Stimme fragen: »Wer zum Teufel hat die Carabinieri gerufen? «
    »Weiß der Himmel … «
    Gemeinsam unternahmen die Leute noch einen Versuch, die Verrückte dazu zu bringen, ihre Blöße zu bedecken, aber das löste nur einen weiteren Schwall obszöner Beschimpfungen aus, die in ihrer Trotzigkeit ebenso unschuldig wirkten wie die geradezu kindliche Nacktheit der Frau .
    Obwohl das Gedränge und das Geschrei schlimmer wurden und die Hitze alle Beteiligten offenbar nur noch mehr aufbrachte, war dem Maresciallo klar, daß keine
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