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Tod einer Göttin (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)

Tod einer Göttin (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)

Titel: Tod einer Göttin (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)
Autoren: Carmen Korn
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Großvaters“, sagte Vera.
    „Ach ja, die“, sagte Anni, als erinnere sie sich kaum.
    Doch sie ging zu einer Kommode, zog die oberste Lade auf und entnahm ihr einen roten Karton, auf dem „Agfa-Gevaert Aktiengesellschaft“ stand. „Nur in der Dunkelkammer öffnen“.
    Hatte Gustav eine Dunkelkammer gehabt?
    „Willst du den Karton nach Hause nehmen oder die Fotos hier angucken?“, fragte Anni.
    Sie fügte sich, doch es bereitete ihr Qualen.
    „Nach Hause nehmen. Annilein, guck nicht so. Es geht dir nichts verloren. Eigentlich sind du und ich doch ein Haushalt.“
    Beide blickten sie zu Boden und betrachteten den Kleinen, der dabei war, aus dem Saum der Decke Fäden zu ziehen und in den Mund zu stopfen.
    Anni schnappte sich den Jungen und pflückte ihm die Fäden von den Lippen. Gott. Was der Kleine da alles kriegen konnte. Eine Darmverschlingung vielleicht.
    „Dann lass uns mal los“, sagte sie, „ehe noch Schlimmeres geschieht.“
    Neigten die Kollegen dazu, den Mord an einem Obdachlosen nachlässiger zu untersuchen als anderer Leute Tod?
    Pit Gernhardt ging zur Ufermauer, die senkrecht zur Alster abfiel. Hier hatte der Tote gelegen. Am helllichten Tag.
    Na, hell waren die Tage noch nicht morgens vor acht.
    Im kalten Januar.
    Das Absperrband war bereits wieder entfernt. Voreilig, dachte Pit. Ihn quälte das Gefühl, dass dieser Tod andere Hintergründe hatte. Nicht nur ein eingeschlagener Schädel, Schlag von einer Flasche, mit der ein anderer Betrunkener leichtfertig umgegangen war. Versehentlich. Absichtlich.
    Warum wurde gleich davon ausgegangen, dass beide betrunken gewesen waren. Welch ein Klischee.
    Der Tote hatte kaum Alkohol im Blut gehabt.
    Pit blickte zum Vier Jahreszeiten hinüber. Vielleicht war man um dessen Eleganz wegen so eilig gewesen, die Stätte des Grauens aufzuheben.
    Das Ufer zeugte von nichts. Zigarettenkippen waren längst eingesammelt, desgleichen Tempotaschentücher, wenn es welche gegeben hatte. Auch Täter dachten an die DNA und ließen den Schauplatz adrett aufgeräumt zurück.
    Nur die Hautpartikel unter den Nägeln der Opfer, die feinen Haare und Fasern an Körper und Kleidung, die hatten die Täter noch nicht unter Kontrolle
    War dies hier ein Mord im Affekt gewesen?
    Warum zweifelte er an der Theorie seiner Kollegen?
    Er vermisste Silke Kollmorgen, die Hauptkommissarin, die ihm im letzten Jahr zur Seite gestanden hatte.
    Was musste die mit ihrem Psychologenfreund nach Weimar gehen, wo er eine Praxis eröffnete. Konnte er das nicht in Hamburg tun? Patienten hätte Pit ihm ausreichend liefern können. Allein das Polizeipräsidium gab einige her.
    Pit Gernhardt bückte sich und kratzte ein bisschen auf dem Boden herum. Hilflose Gesten.
    Der Tote war um zwanzig vor acht gefunden worden. Von einer Küchenhilfe des Vier Jahreszeiten, die Frühdienst hatte, um ein Bankett mit vorzubereiten.
    Was tat die Frau hier am Neuen Jungfernstieg? Der Eingang für das Personal befand sich in der Großen Theaterstraße.
    Walentyna Skerka, 44, Polin.
    Auf dem Wege zur Arbeit rauche sie ein, zwei Zigaretten und blicke dabei über die Binnenalster, hatte sie zu Protokoll gegeben. Warum sollte sie das nicht tun?
    Leuchtende Kulisse einatmen.
    Die Frau war im Gespräch mit Pit sehr nervös gewesen. Eine nervöse Kettenraucherin. Vermutlich waren die meisten der Kippen, die sie sichergestellt hatten, von ihr.
    Im Büro würde ihn wohl der Bericht erwarten.
    Pit Gernhardt fuhr nicht ins Büro. Er fuhr zu seinem alten Kumpel Nick. Noch lieber wäre er zu Vera gefahren, doch bei ihr war er im vergangenen Vierteljahr kaum ein Stück weiter gekommen. Herzliche Treffen am Küchentisch. Keine Liebesbekundungen. An ihm hatte es nicht gelegen.
    Vera hing noch zu sehr an Jef, dachte Pit, und er selbst konnte nicht einmal Klavierspielen.
    Die Identität des toten Obdachlosen war noch ungeklärt. Arzt und Rechtsmediziner waren darin einig, dass er hoch in den Siebzigern sein musste. Schrecklicher Gedanke, in diesem Alter auf der Straße zu leben.
    Er klingelte und schaute in die nackte Kastanie, die vor Nicks Haus stand, und war schon nahe daran, aufzugeben, als der Türöffner surrte und die Haustür sich öffnete.
    Oben lehnte Nick übers Treppengeländer. „Komm“, sagte er, „ich habe einen Schnaps, aber nicht viel Zeit.“
    Einen Schnaps um halb zwölf Uhr vormittags. So weit war es noch nicht mit ihm gekommen.
    „Ich will gleich zu Vera“, sagte Nick.
    Vielleicht doch einen Schnaps, dachte
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