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Tod einer Göttin (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)

Tod einer Göttin (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)

Titel: Tod einer Göttin (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)
Autoren: Carmen Korn
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auch nicht im Geringsten vor, mit ihr an einem Küchentisch zu sitzen.
    „Will sie herkommen?“, fragte Anni, als Vera das Telefon zurück auf den Tisch gelegt hatte.
    „Warum nicht?“, fragte Vera. „Unsere Hütte ist doch ganz glanzvoll. Wir empfangen Jana Tempel gelassen.“
    Es war Annis Gesicht anzusehen, dass sich die Gelassenheit bei ihr erst einstellen würde, wenn ein größerer Hausputz absolviert worden war. Vielleicht die Vorhänge vorher noch abnehmen und reinigen lassen.
    „Kein Gedöns“, sagte Vera. Wer hatte das immer noch gesagt? Jef, der am Niederrhein aufgewachsen war?
    „Beruhige dich, ich treffe sie erst einmal im Hotel. Sie ist im Vier Jahreszeiten abgestiegen.“
    Anni nickte. „Gustavs Lieblingshotel“, sagte sie.
    „Die Kaminhalle im Atlantic hat er auch geschätzt.“
    Anni machte eine abwehrende Handbewegung, die Gustav immer die Nebbich-Geste genannt hatte.
    Doch Vera wusste es besser. Ihr Vater hatte sie dorthin ausgeführt. Vermutlich war ihm die Aufmachung seiner Tochter zu wild gewesen, um sich im noch ehrwürdigeren Vier Jahreszeiten blicken zu lassen.
    Anfang der Achtziger Jahre waren die Zeiten vorbei, in denen das Atlantic berühmten Sängerinnen den Zutritt zur Bar verwehrte, weil sie einen Hosenanzug trugen.
    Es hatte bei Vera Leggings und Stulpen toleriert, ganz abgesehen von den Pullovern mit ausgefransten Dekolletés, die wenigstens eine Schulter nackt sein ließen.
    „Wann?“, fragte Anni.
    „Heute Nachmittag. Zum Hightea.“
    Anni sah unzufrieden aus.
    Sie sah immer unzufrieden aus, wenn eine Mahlzeit nicht von ihr zubereitet wurde, und seien es Sandwichs mit Lachs und Kresse, Scones und Erdbeertörtchen.
    „Lass uns Nicholas warm einpacken und zu dir spazieren und die Fotos holen“, sagte Vera, „ich will sie gesehen haben, bevor ich Jana Tempel begegne.“
    „Du wirst sie auch so erkennen.“
    „Darum geht es nicht.“
    Wie widerstrebend Anni war. Doch sie ließ es geschehen, dass Vera den Kleinen in den Schneeanzug packte, und zog selber schließlich den Mantel an und setzte den Hut auf.
    Vera glitt in den warmen weichen Leopard, der ganz und gar aus Plüsch war. Nie und nimmer hätte sie einen echten Pelz angezogen. Sie schätzte Tiere zu sehr.
    Eigentlich sollte man sich mal einen Hund anschaffen.
    Kalt war es. Auf der Alster lag eine dünne Eisdecke.
    Das würde noch lange dauern, bis der Senat das Eis freigab, um Tausende auf die Alster zu lassen.
    „Zwanzig Zentimeter dick“, zischte Anni, „vorher nicht.“
    Gut, dass der See selten zufror. Sie hatte immer nur Angst gehabt, dass ihr Verakind in einem Eisloch verloren gehen könnte, und jetzt vielleicht gar mit Kinderkarre und dem Kleinen darin.
    Vera ließ die Karre unten im Treppenhaus, als sie in dem vierstöckigen Haus aus dunklen Backsteinen ankamen, in dem Anni seit Jahren eine kleine Wohnung hatte. Sie nahm Nicholas auf den Arm, stieg die Stufen hinauf und wartete auf Anni, die den Briefkasten geleert hatte und mit ein paar Zetteln in der Hand hochkam.
    Wie oft hatte Vera ihrer alten Kinderfrau und Haushälterin angeboten, zu ihr in die acht Zimmer der Jugendstilwohnung zu ziehen, in die Gustav vor vielen Jahren gezogen war, als er die viel zu junge Nelly geheiratet hatte.
    Jana Tempel war wohl auch viel jünger als er. Gustav Lichte wäre längst über hundert. Hatte es mal gleichaltrige Frauen in seinem Leben gegeben?
    Vielleicht in den zwanziger Jahren, als er in Berlin die ersten großen Erfolge als Komponist feierte.
    „Kommt rein“, sagte Anni, die die Tür aufgeschlossen hatte und die gedankenverlorene Vera ansah. Sie deutete auf die gegenüberliegende Tür. „Denkst du noch an den Mord?“ Vera schüttelte den Kopf. Nein. Sie dachte nicht an die Tote unter der Brücke, die Annis Nachbarin gewesen war.
    Das geheime Leben ihres Vaters spukte in ihr.
    „Hast du das Lamm nicht dabei?“, fragte Anni, die eine Decke auf dem Wohnzimmerteppich ausbreitete.
    Vera setzte Nicholas auf die Decke, schälte ihn aus dem Schneeanzug, griff in die Taschen ihres Leopardenplüschs, und zog einen Bund bunter Schlüssel aus Kunststoff hervor. Nicholas guckte kurz darauf und wandte sich gelangweilt ab. Vera versenkte noch einmal die Hände in die Taschen. Das Schmusetuch. Immerhin das Schmusetuch. Die Taschen dieses Mantels waren wirklich tief, doch das Lamm, das Anni genäht hatte, war nicht dabei.
    „Vielleicht interessiert er sich viel mehr für Fotografien aus dem Leben seines
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