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Tod am Zollhaus

Tod am Zollhaus

Titel: Tod am Zollhaus
Autoren: Petra Oelker
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Herrn brav die Hand, mach einen Diener und setz dich an den Tisch. Frau Augusta», er machte eine steife, gleichwohl vollendet galante Verbeugung, «und Claes, mein Freund, ich bringe euch einen kleinen Zauberer mit. Er ist mit seinem Vater und seiner Schwester unterwegs nach Den Haag, aber die beiden hat die Influenza in die Kissen gezwungen. So kommen wir in den unverhofften Genuss einer Attraktion. Aber lasst ihn erst essen, er muss noch so schrecklich viel wachsen. Wie er zaubert, beweisen wir euch später. Ich hoffe, das Spinett ist gut gestimmt.»
    Das Kind, ein selbstbewusster Knirps mit neugierigen Augen und ein wenig spitzer Nase, setzte sich brav auf seinen Stuhl und ließ sich von Augusta den Teller füllen.
    «Herein, herein», rief Telemann und zog nun Reichenbach, der ein wenig unsicher in der Tür stand, am Ärmel seines Rockes in das Speisezimmer.
    Gesine verschluckte sich just in diesem Moment an ihrem Burgunder, Rudolf vergaß, ihr auf den Rücken zu klopfen, und Augusta bekam einen Schluckauf. Nur Helena und Sebastian aßen in aller Seelenruhe weiter. Jean bewegte vorsichtig seine schmerzenden Zehen in den etwas zu engen, aber ganz prächtigen neuen Schuhen. Niemand hatte bemerkt, dass Helena und Sebastian ihn gleichzeitig und äußerst heftig getreten hatten.
    Matthews und Sonnin begrüßten Reichenbach wie einen alten Bekannten, und Anne hatte das sichere Gefühl, dass hier irgend etwas ganz und gar nicht stimmte.
    Claes reichte dem jungen Sachsen freundlich die Hand.
    «Man hat mir gesagt, dass Ihr schon weitergereist seid. Ich freue mich, dass das ein Irrtum war. Setzt Euch und esst mit uns.»
    «Verzeiht, wenn ich ohne Einladung in Euer Haus komme. Aber ich wollte nicht – verschwinden, ohne mich von Euch zu verabschieden.»
    Augusta bemühte sich angestrengt, ihren Schluckauf zu überwinden. Das also war der kleine Sachse, von dem Claes ihr mit so viel Wärme erzählt hatte. Nicht nur das Kind mit dem roten Rock würde Claes heute Abend überraschen.
     
    Als das Stühlerücken und Tellerauflegen wieder vorbei war, herrschte eine seltsam gespannte Stille. Nur Claes und Jean merkten nichts davon.
    Aber beim Dessert – selbst Augusta fand Elsbeths Plumpudding ganz ausgezeichnet, wenn man ein wenig Pfirsichsaft darübergoss – war das Geplauder wieder munter wie zuvor. «Helft mir, Rudolf», sagte Claes, als die letzten Pfirsiche auf dem Teller des kleinen Wolfgang lagen und ihrem Ende entgegensahen. «Seit drei Wochen grübele ich, was in dieser schrecklichen Nacht tatsächlich geschehen ist. Ich weiß nur, dass ihr eure ganze Kunst zum Einsatz gebracht habt, um uns zu retten. Aber wieso wart ihr alle mitten in der Nacht in der Kömodienbude? Und wie habt ihr dieses schauerliche Gespenst erscheinen lassen? Ich dachte selbst, die Hölle hätte sich aufgetan.»
    «Nun, das war nicht ganz falsch. Was Ihr erlebt habt, war das Finale aus einem unserer neuen Stücke. Der gütige Tod und Giovanni, der ruchlose Graf. Er war nicht ganz so gütig wie in unserem Stück, das schon, aber am nächsten Sonntag kann ihn jeder im Original sehen, der ein Billett für unser Theater hat. Was Ihr als Höllenorchester gehört habt, waren nichts als eine Flöte, ein donnerndes Zinkblech, eine Pauke, große Messingteller und eine hölzerne Rinne über Eurem Kopf, in der ein paar Holzkugeln herumpolterten. So lassen wir es immer donnern, und unser Publikum schätzt diesen Lärm ganz ungemein.»
    «Und Ihr könnt fliegen, Sebastian?»
    Der lachte vergnügt. «Mit Rudolfs Hilfe könntet Ihr es auch. Es ist einzig sein Verdienst. Während wir in der Stadt herumliefen und einen Mörder suchten, war er sicher, der werde dorthin zurückkehren, wo er schon einmal gemordet hatte. Als es so weit war, stand er mit den Lichtern, Instrumenten und dem Tod hinter der Bühne bereit. Es gibt nämlich doch noch mehr Türen als die große an der Giebelwand.»
    Dass Lies die Rückkehr des Mörders für diese Nacht prophezeit hatte, verriet er aber nicht.
    «Das Flugwerk war allerdings eine neue Konstruktion», fuhr Rudolf fort. «Es war erst am Nachmittag fertig geworden, und ich wusste nicht, ob es einen so schnellen Flug und einen zweiten Körper aushält …»
    «… davon hast du mir nichts gesagt!»
    «Dazu war wirklich keine Zeit, Sebastian, und ich war sicher, du würdest es trotzdem wagen. Wir hätten ihn natürlich leicht überwältigen können», fuhr er, wieder zu Claes gewandt, fort, «aber dann wäre die Laterne
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