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Tod am Zollhaus

Tod am Zollhaus

Titel: Tod am Zollhaus
Autoren: Petra Oelker
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Jahren. Sie war ein wenig enttäuscht, dass Rosina nicht gekommen war. Aber gewiss hatte sie gute Gründe.
    Den Kindern wurde ihr Essen an einem besonderen Tisch in der Küche serviert. So war es der Brauch in diesen Häusern. Manon hatte gemurrt, aber Titus nahm sie fest bei der Hand und versicherte eilig, er wolle mit den Kindern essen, damit sie sich in der fremden Küche nicht so allein fühlten.
    Claes saß an seiner Tafel und betrachtete die Gäste. Er hatte ein buntes, lautes Volk erwartet und sich vorgenommen, ihre schlechten Manieren tapfer zu ertragen. Aber es gab wenig zu ertragen. Helenas Dekolleté mochte ein wenig zu großzügig sein, ganz sicher war es das, und ein Brusttuch auf ihrer schimmernden weißen Haut wäre schicklicher gewesen. Aber sie war doch ein schöner Anblick, sie bewegte sich graziös, und ihre warme Stimme wurde nur selten zu laut. Rudolf und Gesine unterschieden sich kaum von den Leuten, die er in den Straßen traf, und auch an dem stillen Sebastian, der Anne mit seinem kuriosen Flug durch das Theater vor dem Tod gerettet hatte, fand er nichts auszusetzen.
    Jean, nun ja, ein Prinzipal war eben immer auf der Bühne. Braniff hätte großes Vergnügen an ihm gehabt, aber der Captain war nach Norden gesegelt. Wer weiß, in welchem Geschäft.
    Er hatte Claes kurz vor dem Ablegen besucht und ihm amüsiert von den beiden preußischen Kaffeeschnüfflern erzählt, die sich seit Tagen in der Stadt, am Hafen und bei den Speichern herumgedrückt hatten. Die preußische Staatskasse war in dem langen Krieg zu einem leeren Beutel geschrumpft, deshalb hatte der König ein neues staatliches Monopol auf das Kaffeerösten eingeführt. Seither krochen in den Dörfern und Städten seines Königreiches Männer herum und erschnüffelten, wo heimlich Kaffee geröstet wurde.
    Diese beiden, stets schwarz gekleidet, wie sonst nur die Pfaffen, hielten sich für besonders schlau. Sie versuchten herauszufinden, welche Hamburger Händler Kaffee nach Preußen lieferten, um den Wagen zu folgen und die Strafen bei den Käufern und Röstern gleich zu kassieren. Die Stadtwache hatte sie recht unwirsch vor das Tor gejagt.
    «Dilettanten», hatte der Captain mit seinem unvergleichlichen Grinsen gerufen, «wir fangen das Geschäft schlauer an.» Claes hatte sich dabei ertappt, dass er mit Braniff lachte.
    Wenn der Captain zurückkam, würde er Anne mit nach Jersey nehmen. Er sah sie an, ihre Blicke trafen sich, und sein Herz klopfte. Der richtige Moment für die alles entscheidende Frage war noch nicht dagewesen. Er musste sich beeilen, wenn er sie nicht wieder verlieren wollte.
    Seit William bei Nacht und Nebel mit unbekanntem Ziel verschwunden war, brauchte Paul sie dringender denn je. Trotzdem würde er sich in Zukunft selbst um seine Geschäfte kümmern müssen.
    Gerade wurde der zweite Gang serviert, ein auf dem Rost gebratener Hecht in einer delikaten Weinsoße mit viel Butter und Schalotten, deftig gewürzt mit Kapern, Nelken, Muskat und Pfeffer, als Blohm hinter ihn trat und ihm zuflüsterte, da seien noch mehr Gäste. Monsieur Telemann, er habe ein Kind dabei, und ein junger Herr, Friedrich Reichenbach. Man bitte um Einlass.
    «Lass sie alle rein, Blohm. Und bring noch Teller und Gläser. Und mehr Wein. Mach schnell, mein Alter.»
    Claes erhob sich freudig, um die späten Gäste zu empfangen. Telemann hatte seinen Besuch angekündigt und eine unterhaltsame Überraschung versprochen.
    Dass Reichenbach uneingeladen in sein Haus kam, wunderte Claes. Aber es freute ihn, auch wenn es gegen die Sitten verstieß. Die Strenge der Sitten war ihm seit den letzten Wochen nicht mehr so wichtig
    Niemand hatte den kleinen Sachsen seit jenem Sonntag, als er im Kaffeehaus so heftig für die Komödianten focht, gesehen. Claes hatte bedauert, dass er so plötzlich und ohne Abschied weitergereist war. Er würde den couragierten Jungen mit dem wachen Geist, der ihm wie der Bote einer neuen Generation erschien, vermissen. Obwohl er ihn doch nur ein paarmal im Kaffeehaus getroffen hatte, war er ihm nah. Damals, als die Komödianten ihn halb bewusstlos aus dem brennenden Theater zerrten, glaubte er sogar, ihn in einem der von Regen und Ruß verschmierten Gesichter zu erkennen. Grauen und Schmerz riefen seltsame Bilder hervor.
    Telemann schob ein Kind vor sich her durch die Tür. Es war etwa neun Jahre alt, trug einen roten Rock mit weißen Litzen und eine Perücke, die schon ein ganz klein wenig zu eng schien.
    «Wolfgang, gib dem
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