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Tochter des Drachen

Tochter des Drachen

Titel: Tochter des Drachen
Autoren: Ilsa J.Bick
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Müllcontainer standen. Trotzdem sah Jonathan keinen Anlass, sich eine bessere Unterkunft zu suchen, denn, nun ja, sich in der Öffentlichkeit zu verstecken erforderte eine gewisse Gewandtheit. Auf keinen Fall durfte man den Kopfgeldjäger in der Gesellschaft eines der reichsten Männer im Kombinat sehen, und schon gar nicht in einem Luxushotel.
    Von seiner Position auf dem Sofa - in einem kränklichen Beige gehalten, mit einer Füllung, die durch mehrere Risse quoll - betrachtete Jonathan seinen Bruder. Marcus saß schweißnass von der Hitze in seinem Sessel und seine mächtigen Brustmuskeln mühten sich unter der ungewohnten Schwerkraft ab. Er hatte gemurrt und gefragt, warum sich Jonathan weigerte, die Unterhaltung wie üblich über Funk zu führen. Jonathan hatte darauf bestanden, dass sein Bruder auf die Oberfläche kam, um die Früchte ihrer Arbeit zu genießen.
    »Früchte?« Marcus zog die Luft ein. »Kurita ist immer noch an der Macht, und Katana ist ein verdammter Kriegsherr!« Er sog noch einen mühsamen Atemzug ein. »Um alle anderen hast du dich gekümmert. Aber Katana? Nein, die darf weiterleben!«
    »Sie lebt noch, weil mir das so gefällt.« Jonathan gähnte gelangweilt und reckte sich. Seine brandneue, smaragdgrüne Rüstung quietschte in den Gelenken. Ein Glück, dass Marcus so wohlhabend war. Noch besser, dass er ein solcher Computerzauberer geworden war: hundert verschiedene Konten unter ebenso vielen Decknamen, und alle voller wunderbarer Summen. Er spielte mit seinem neuen Helm und bewunderte sein Spiegelbild. »Lebend erfüllt sie unsere Bedürfnisse.«
    Es gefiel ihm, als Marcus dunkelrot anlief. »Unsere Bedürfnisse?«, keuchte er. »Reden wir hier nicht in Wahrheit von deinen Bedürfnissen?«
    »Nein«, log er. Es fiel ihm wunderbar leicht. »Marcus, die beste Art, jemanden leiden zu lassen, besteht darin, ihm - oder ihr - alles zu nehmen, was er liebt, alles, was ihm etwas bedeutet. Aber allmählich, Stückchen für Stückchen. Man weckt die Hoffnung, dass die Dinge besser werden, aber dann kommt es doch nicht dazu. Wir beide wissen, wovon ich spreche, nicht wahr, Bruderherz? Unser Vater hat sich von Mutter scheiden lassen, aber wir blieben bei ihm, wurden zu seinen kleinen Schatten.« Ein Bild formte sich vor seinem inneren Auge: von dem Tag, an dem er nach Jahren des Trainings endlich bei den Söhnen des Drachen aufgenommen worden war -alles nur, weil sein Vater ihn nicht Sohn nannte. »Und dann ist er plötzlich einfach verschwunden und wir waren auf uns selbst gestellt. Jetzt frage ich dich: Wäre es eine Strafe, Katana umzubringen? Sie kann nur einmal sterben. Aber wenn wir ihr alles und jeden nehmen, die ihr etwas bedeuten, wird sie sich wünschen, sie wäre tot. Das ist Rache - süß und langsam.«
    »Nur süß für dich.« Marcus schnaubte wie ein Pferd. »Du hast Freude am Töten. Aber das ist es gar nicht. Du magst die kleine Schlampe.« Nachdenklich beäugte er seinen Bruder. »Tatsächlich glaube ich sogar, du hast dich ein wenig in sie verliebt.« Als er Jonathans Gesichtsausdruck sah, lachte er böse. »Ich habe recht, nicht wahr? Na, wundervoll. Das ist einfach perfekt. Ich frage mich, ob die liebe Katana eine Ader für Fesselspiele hat, oder ob Sie einige deiner kreativeren Schlafzimmerunterhaltungen vorzieht.«
    Zum ersten Mal in seinem Leben fehlten Jonathan die Worte. Und was noch erstaunlicher war: Marcus hatte ihn wütend gemacht. Wie hatte er das geschafft? Ich habe alles unter Kontrolle. Ich habe immer alles unter Kontrolle ...
    »Ich ... bewundere sie«, erklärte er und wählte das Wort sehr durchdacht. »Ich bin wie jeder Jäger, Marcus. Ich weiß die Intelligenz des Fuchses zu schätzen, den ich zur Strecke bringe.«
    »Aber erst, wenn es dir beliebt.« Wieder lachte Marcus, allerdings lautlos, wie ein Hund. »Glaubst du etwa, ich sehe nicht, was hier vor sich geht? Schau dich doch an: sicher in Katanas Lager untergebracht. Crawford und die kleine Emi überschlagen sich vor Dankbarkeit. Und du hast Bhatia bei den Eiern. Es ist bequem, so beliebt und in so vielen Lagern willkommen zu sein, nicht wahr? Nur dass es das noch nicht einmal ist. Für dich geht es überhaupt nicht mehr um Rache.«
    »Tatsächlich nicht?« Er hielt die Stimme locker. »Worum geht es mir denn dann, Bruderherz?«
    »Um Katana Tormark. Das ist alles. Du brauchst Katana lebend.«
    »Tatsächlich«, erwiderte Jonathan trocken. Die Finger aber, mit denen er am Helmvisier spielte, zitterten.
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