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Tochter der Nacht

Tochter der Nacht

Titel: Tochter der Nacht
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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gesprochen hatte. Aber es war doch ihre Stimme gewesen? Er zögerte immer noch, und Pamina rief herrisch: »Schnell, nimm meine Hand, solange ich dein Schicksal noch wenden kann!«
    Hinter ihr schienen Sturmwolken über den Himmel zu jagen, und Dunkelheit senkte sich herab.
    Ein Donnerschlag ertönte, und Blitze zuckten über den Himmel.
    »Wer übt hier Verrat?« Es war die Stimme von Monostatos.
    »Ihr habt Pamina mir versprochen! Mir! Jetzt bietet Ihr sie diesem armseligen Fremden aus dem Westen an, diesem Spielzeug Sarastros! Pamina ist mein, das habt Ihr mir geschworen. Nun belügt Ihr mich schon wieder, wie Ihr auch meinen Vater belogen habt…«
    Paminas Körper zuckte, ihr Gesicht verblaßte, und die Sternenkönigin überragte sie beide in ihrer ganzen Majestät.
    »Dir, Monostatos? Dir… einem Halbling?« rief sie und spuckte ihm verächtlich ins Gesicht.
    ∗ ∗ ∗
    Monostatos wurde bleich vor Zorn.
    »Herrin«, zischte er, »auch die Sternenkönigin kann mit dem Sohn der Großen Schlange nicht machen, was sie will!«
    Die Sternenkönigin zuckte nur höhnisch mit den Schultern, doch ein mächtiges Brüllen erscholl, und dort, wo Monostatos gestanden hatte, richtete sich wieder der Drachen auf und versengte sie mit seinem Feueratem. Tamino kannte die Verwandlung; diesmal erschrak er nicht. Die Sternenkönigin aber schien sich zu fürchten und rief heftig ihren Töchtern zu:
    »Tötet ihn! Schnell, tötet ihn!«
    Disa schrie angstvoll und verzweifelt: »Sie hat auch uns verraten! Unser Vater! Unser Vater! Und wir wußten es nicht!«
    Plötzlich durchschaute Tamino das heimtückische Wesen der Sternenkönigin.
    Er hatte nicht einmal, sondern zweimal erlebt, daß ein Mensch sich in einen Drachen verwandelte. Einmal war es Monostatos gewesen; aber davor, als ihn sein Weg das erste Mal durch das Land der Wandlungen geführt hatte, waren die drei Damen der Sternenkönigin erschienen, und um sein Leben zu retten, hatten sie getötet… nicht Monostatos, sondern den Großen Drachen.
    Die Sternenkönigin verfolgte eigene Pläne, als sie ihren Töchtern befahl, gegen den Drachen zu kämpfen, der ihr Gemahl gewesen war… Rasend vor Zorn richtete sich Monostatos zu voller Größe vor der Sternenkönigin auf, doch da Tamino in ihr immer noch Spuren von Paminas Zügen sah, warf er sich mit gezücktem Schwert dazwischen.
    »Monostatos«, schrie er, »sie ist eine Frau! Ich habe genug Grund, mich mit dir zu schlagen, und ich werde dich nicht verschonen, damit du gegen die Sternenkönigin kämpfen kannst. Laß sie in Ruhe und stelle dich mir!«
    Tamino hob das Schwert und hörte hinter sich das Lachen der Sternenkönigin.
    ∗ ∗ ∗
    »Welche Tapferkeit! Welch ein Dummkopf! Als würde ich einen Halbling in Drachen-oder Menschengestalt fürchten!«
    Es klang wie ein Peitschenhieb. Sie wandte sich an ihre Töchter: »Worauf wartet ihr? Ihr steht in meinen Diensten. Tötet ihn!«
    Doch sie zögerten, und Disa rief gequält:
    »Auf Euren Befehl haben wir unseren Vater erschlagen. Sollen wir den Sohn unseres Vaters ebenfalls töten, Herrin?«
    »Tamino! Spiel die Flöte! Zum letzten Mal, Ich flehe dich an!«
    Da setzte Tamino die Flöte an die Lippen und begann zu spielen.
    Die Sternenkönigin rief wild: »Nehmt sie ihm weg! Nehmt ihm die Flöte weg! Man hat sie mir gestohlen, sie gehört mir…« Doch Tamino spielte unbeirrt weiter. Die Flöte besaß Macht über die Halblinge – und trotz Drachengestalt, trotz aller Zauberkräfte –, Monostatos war ein Halbling. Die Luft trug die Flötentöne durch das Land der Wandlungen. Die Otter-Frau kroch aus dem Teich, gefolgt von ihren kleinen pelzi-gen Kindern mit den runden Köpfen. Monostatos, der Drachen, sank in sich zusammen und war schließlich nicht grö-
    ßer als die Sternenkönigin.
    Und plötzlich stand Pamina neben ihrer Mutter und bedeckte die Augen, als schmerzte sie das Licht. Diesmal war es die wirkliche Pamina im staubigen, zerschlissenen Gewand und dem farbigen Gürtel, den Tamino einst gelöst hatte.
    Pamina wies mit dem Finger auf Monostatos, den Sohn der Großen Schlange.
    »Sohn der Schlange«, rief sie, »im Namen der Wahrheit, sei, was du wirklich bist!«
    Einen Augenblick lang stand Monostatos mit angstverzerr-tem Gesicht regungslos vor ihnen. Dann begann er zu schrumpfen, wurde kleiner und kleiner, war weder Mensch noch Drachen, fiel zu Boden und schrumpfte noch weiter.
    ∗ ∗ ∗
    Seine Schuppen wuchsen, während Monostatos immer kleiner wurde,
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