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Tochter der Nacht

Tochter der Nacht

Titel: Tochter der Nacht
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Flamme und verbrannte ihm die Hand. Tamino packte Monostatos an den Haaren, ohne auf den brennenden Schmerz zu achten. Er wußte unbestimmt, daß der Zauberer nicht verschwinden konnte, solange er ihn berührte.
    Sein Schwert war verschwunden, doch das machte nichts, nachdem er den heimtückischen Monostatos erst einmal gepackt hatte. Mit einer Hand riß Tamino ihm den Kopf zu-rück, mit der anderen fuhr er ihm an die Kehle. Er spürte die trockenen, warmen, nicht unangenehmen Schuppen, die für Schlangen-Halblinge typisch waren.
    »Was hast du mit Pamina gemacht? Sag es, dann schenke ich dir vielleicht dein armseliges Leben!«
    Der schuppige Hals wandte und krümmte sich in seiner Hand, und plötzlich richtete sich brüllend ein Drachen auf, und Tamino sprang zurück, als er das Untier über sich spürte.
    Er hatte das schreckliche Gefühl, das alles schon einmal erlebt zu haben – als er in das Land der Wandlungen gekommen war. Hatte er auch damals gegen Monostatos in Drachengestalt gekämpft? In einem Aufblitzen der Erinnerung sah Tamino den Mann in den Ruinen wieder vor sich. Er war größer als Monostatos gewesen, mit edlen und melan-cholischen Zügen… also nicht Monostatos. Sie befanden sich im Land der Wandlungen… Einen Augenblick lang sehnte Tamino sich danach, klein zu sein, so winzig zu werden, daß der Drachen ihn nicht sehen und töten konnte…
    Das Blut erstarrte ihm in den Adern, und ihn erfaßte das uralte Entsetzen aller Kinder des Affen angesichts der Schlange.
    Doch plötzlich durchzuckte ihn die Macht des Feuers, und Tamino spürte das gleißende Licht in seiner Hand. Er öffnete sich dieser Macht, und ein Wort entrang sich ihm, das er mit aller Macht hervorstieß – später wußte er nicht mehr, was er geschrien hatte. Doch der stechende Schmerz in der Hand brachte ihm wieder zu Bewußtsein, daß er sein Schwert umklammerte. Es war in dem weißen Feuer also nicht verglüht. Das hatte Monostatos ihm vorgegaukelt, also mußte auch der Drachen zumindest teilweise Einbildung sein. Tamino zielte auf eine Stelle, wo er Monostatos hätte treffen müssen – auf die ungeschützte Brust – und stieß zu.
    Ein Blitz zuckte auf, und im nächsten Augenblick stand Monostatos wieder in Menschengestalt am Rand der Ruinen.
    Dann verschwand er.
    Tamino senkte langsam das Schwert. Tief in seinem Inneren wußte er, daß er Monostatos nicht besiegt, ihn nur in die Flucht geschlagen hatte. Über die Schwertklinge zogen sich lange silberne Streifen, als sei das Metall geschmolzen und neu geschmiedet worden. Er betrachtete es schaudernd.
    Wirklich eine Feuerprobe! Und als er die offene, brennende und klopfende Wunde in seiner Hand betrachtete, wußte Tamino, das alles war nur der Anfang.
    In der Hitze und der Hektik des Kampfes war ihm der hölli-sche Schmerz nicht voll bewußt gewesen. Jetzt umklammerte er mit der gesunden Hand das Gelenk, als könne er durch den Druck die entsetzlichen Qualen mildern. Aufstöhnend rannte Tamino zu der Quelle, die Pamina aus dem Felsen geschlagen und in deren Wasser sie sich den Sand vom Körper gewaschen hatten. Pamina! Wo war Pamina? In seiner Verzweiflung wollte er laut nach ihr rufen… und erinnerte sich
    – aber das mußte in einem anderen Leben gewesen sein, vor Millionen und Abermillionen Jahren –, wie Papageno kla-gend nach Papagena rief… In dieser Welt gab es für ihn nichts mehr außer Leid, Verlust und die rasenden Schmerzen in seiner Hand.
    Tamino erreichte die Quelle, streckte die Hand aus und – Sand brannte wie Feuer in seiner Wunde.
    Tamino schrie, wie er sein Schwert herbeigerufen, wie Pamina es getan hatte, als sie gegen den Felsen schlug:
    »Wasser!«
    Ein Augenblick der Verzweiflung, ein Augenblick schweigender Qual und Furcht – würde er hier, im heißen Sand sterben, im Feuer des Drachens zu Asche verbrennen? –
    plötzlich spürte er es kühl und lindernd über seine Hand rinnen, kaltes Wasser, eiskaltes Wasser. Aber es war nicht die Wüstenquelle: Tamino lag im Wasser, und es nahm den Schmerz in der verbrannten Hand, auf dem Rücken und im Gesicht, wo ihn die feurigen Peitschenhiebe getroffen hatten. Und ganz in seiner Nähe schwamm die Otterfrau.
    Also hatte nicht nur Pamina Zauberkräfte entwickelt! Auch er war ein Zauberer, ein Zauberer wie Monostatos geworden. Einen Augenblick lang erfaßte ihn Abscheu vor sich selbst. Er hatte sich vor Pamina gefürchtet, als sie sich in den riesigen Vogel verwandelte. Jetzt fürchtete er sich vor sich
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