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Tochter der Insel - Historischer Roman

Tochter der Insel - Historischer Roman

Titel: Tochter der Insel - Historischer Roman
Autoren: Jutta Oltmanns
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uns sehen … «
    Immo schwieg. Sie würde von hier weggehen! Plötzlich wurde ihm die Tragweite ihrer Worte bewusst. Er spürte einen jähen Druck hinter den Augen, der in einen scharfen Schmerz überging. Sein Kopf begann zu dröhnen. Er wandte sich von Lea ab, dem Meer zu. Auch das Geräusch der Brandung tat ihm weh.
    »Wann werdet ihr fahren?«
    »Mittwoch. Großvater packt schon die Koffer.«
    Ein Stich durchfuhr ihn. »Ich werde dann nicht hier sein. Morgen in aller Frühe fährt mein Schiff und bringt mich erst am Donnerstag zurück. Hiske hat sicher davon erzählt, dass ich noch einmal zum Festland reisen muss. Es geht diesmal tatsächlich um die Schule. Die Entscheidung soll fallen … «
    Lea nickte.
    Immos Schläfen hörten nicht auf zu pochen. Er hätte weinen mögen um Lea, um die Liebe, die sie ihm einmal angeboten und die er abgelehnt hatte. Jetzt war alles zu spät.
    Er zwang sich, den Schmerz zu ignorieren, griff in seine Jacke und zog einen Schlüssel heraus. »Hier. Der Zweitschlüssel zum Haus. Du hast doch meine Bücher so gerne gelesen. Ich bin zwar nicht da, doch meine Kate steht dir jederzeit offen.«
    »Danke. Es hat so gutgetan, dich wiederzusehen, mit dir zu reden. Du bist mir immer der beste Freund gewesen. Ohne dich … « Ein Schluchzer entrang sich ihr. Lea sprang auf. »Ich muss gehen. Auf Wiedersehen, Immo! Ich schreibe dir.«
    Immo streckte die Arme aus und drückte Lea fest an sich. Bitte geh nicht! Seine Hände strichen über ihr Gesicht, ihr Haar, als wolle er sich alles für immer einprägen. Er versuchte zu sprechen, doch die Stimme versagte ihm. »Pass auf dich auf!«, brachte er schließlich hervor.
    »Ja.«
    Sie entriss sich ihm förmlich.
    Immo sah ihr nach, wie sie den Dünenpfad entlangschritt. Er glaubte zu erkennen, dass ihre Schultern bebten. Mit hängendem Kopf ließ Immo sich in die Sandmulde sinken und schlug die Hände vor das Gesicht.
    Zu spät! , hämmerte es in seinem Kopf.
    Die hohe Sonne warf kurze Schatten. Der Wind drückte das lange Inselgras nieder. Immo fröstelte. Plötzlich fühlte er sich trotz des warmen Windes taub vor Kälte.

5
    L ea stand vor der Eingangstür von Immos Haus und fragte sich, was, um alles in der Welt, sie eigentlich hier wollte. Großvater hatte Karten für den Dampfer und bald würde es losgehen. Eigentlich hätten sie schon vorgestern fahren sollen. Wie verrückt von ihr, die Abreise um zwei Tage zu verschieben! Großvater hatte ihre Erklärung, dass sie ihren Aufenthalt auf der Insel so lange wie möglich genießen und keine Zeit in Bremen vergeuden wollte, ohne weitere Fragen hingenommen.
    Den wahren Grund hatte Lea ihm verschwiegen. Sie hoffte, Immo noch einmal sehen zu können. Er war gestern vom Festland zurückgekehrt. Lea hatte anfangs vorgehabt, zum Landungsplatz zu gehen, um ihn zu überraschen. Doch sie wagte es nicht, als es so weit war. Was, wenn er die Begründung für ihr Bleiben erriete? Sie könnte es nicht ertragen. Abends hatte Lea sich eine Närrin gescholten und in den Schlaf geweint. Jetzt stand sie vor Immos Haus. Die Telegraph fuhr in weniger als zwei Stunden.
    Lea konnte die Kühle des Sommermorgens durch ihre dünnen Schuhe spüren. Bald würde es warm werden, doch noch kroch der kalter Seewind ihre Beine hoch und ließ sie zittern. Sie dachte an Italien und die Wärme dort, die Blumen, das große Anwesen. Ihr Leben würde schön werden.
    Zaghaft klopfte sie an Immos Haustür. Als niemand öffnete, trat sie zum Fenster und spähte hinein. Immo schlief. Die Vorhänge der Butze waren zugezogen. Lea klopfte gegen die Scheibe, aber er reagierte nicht. Sie drehte sich langsam um und stolperte mit tränennassen Augen zur Gartenpforte. Als sie die Hand in ihre Tasche steckte, um nach einem Tuch zu greifen, berührten ihre Finger einen Gegenstand. Gott, sie hatte immer noch den Schlüssel! Lea zog ihn hervor und starrte darauf. Etwas begann sich in ihr zu regen. Sie fühlte eine Freude in sich aufsteigen, die ihr selbst albern vorkam. Ohne nachzudenken, kehrte sie um und lief erneut auf die Haustür zu. Der Schlüssel glitt ins Schloss und beim Drehen spürte sie, wie sich der Riegel zurückschob. Lea drückte leise die Klinke herunter und trat ein. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.
    Wie dumm das alles war! Sie hatte sich eingeredet, einfach nur noch einmal Lebewohl sagen zu wollen. Doch in Wahrheit hoffte sie immer noch. Schon gestern hatte sie das getan. Doch worauf? Warum konnte sie es sich nicht endlich
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