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Tochter der Insel - Historischer Roman

Tochter der Insel - Historischer Roman

Titel: Tochter der Insel - Historischer Roman
Autoren: Jutta Oltmanns
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schüttelte.
    »Vielen, vielen Dank!«
    Kurz darauf versammelten sich die vier gemeinsam mit den übrigen Insulanern beim Landungsplatz, um Gärbers Abgang von der Insel zu beobachten. Den meisten stand die Freude über seine Festnahme ins Gesicht geschrieben. Zu lange hatte dieser Mann sie unter seiner Knute gehalten.
    Die Menge bildete einen Gang, als der Gendarm mit seinem Gefangenen auf das Boot zusteuerte, das sie zur Telegraph bringen würde.
    Gärber blickte der Menge mit funkelnden Augen entgegen. »Ich habe so viel für die Insel getan und ihr jagt mich davon wie einen räudigen Hund! Dabei bin ich der Einzige, der das Zeug hat, den Badebetrieb hier wieder aufzubauen!« Er entwand sich dem Griff des Schutzmannes und richtete seine Augen flehentlich auf die Inselbewohner.
    »Die Regentschaft hat mir versprochen, dass wir am Fuße des neuen Leuchtturms ein Seebad bauen dürfen. Ich bringe den Großherzog dazu, dass ihr dort siedeln könnt, das verspreche ich euch. Es braucht dazu nur eins: Lasst uns den Gendarmen zum Teufel jagen. Wer mir heute hilft, dessen Schaden soll es nicht sein. Wer mir aber nicht beisteht … « Mit zur Faust erhobener Hand kam Gärber drohend auf die Leute zu.
    Die Insulaner wichen furchtsam zurück. Noch hatte Gärber nicht allen Einfluss verloren.
    »Ihr braucht keine Angst vor ihm zu haben. Er hat euch nichts mehr zu sagen. Es ist lediglich seine Stimme, mit der er immer noch einschüchtern und täuschen kann. Aber nur, wenn ihr es zulasst«, rief Immo beschwörend.
    Gemurmel setzte ein und dann rückten die Insulaner wieder näher.
    »Halt! Keinen Schritt weiter!«
    Der Schutzmann packte entschlossen den Arm Gärbers und zog ihn mit sich. Dieser wehrte sich, sah dann aber die Aussichtslosigkeit seines Vorhabens ein.
    Wut verzerrte seine Züge. Er spuckte aus. »Elendes Lumpenpack!«
    Lea zupfte Immo am Ärmel. »Ich hab immer noch Angst vor ihm. Lass uns verschwinden. Ich glaube, der Kerl führt irgendetwas im Schilde.«
    In diesem Moment sah Immo etwas in Gärbers Hand aufblitzen.
    »Er hat ein Messer!«
    Mit einem Satz sprang der Gefangene auf Lea zu, doch Immo warf sich zwischen die beiden. Seine Hände griffen nach Gärbers Arm. Ein Schrei ertönte, dann ein Klirren. Das Messer fiel zu Boden. Immo sah aus dem Augenwinkel, wie Leas Großvater die Waffe mit einer schnellen Bewegung einkassierte.
    Die Insulaner heulten vor Wut.
    »Wir machen diesem Verbrecher gleich hier den Prozess!«, schrie einer.
    Die johlende Menge stieß Gärber zu Boden und wollte sich auf ihn stürzen, doch Immo, der sich wieder hochgerappelt hatte, hielt sie zurück.
    »Halt, wartet! Tut das nicht! Ich bin unverletzt. Es hat keinen Sinn, Gewalt mit Gewalt zu vergelten.« Er wandte sich dem Gendarmen zu. »Schaffen Sie ihn uns aus den Augen, aber rasch!«
    »Gott, bin ich froh«, sagte Lea, als das Signal ertönte und das Schiff mit seiner unliebsamen Fracht davonfuhr.
    Hiske stemmte die Hände in die Hüften und blickte dem Dampfer nach. »Ein Glück, dass wir diesen Kerl los sind.« Sie wandte sich Immo zu. »Ist mit dir auch wirklich alles in Ordnung, mein Junge?«
    »Eine gute Brise Meeresluft um die Nase und eine Tasse von deinem Tee – dann bin ich wieder ganz der Alte! Und, Lea, die frische Brise will ich jetzt und sofort haben. Unser Wiedersehen war ganz und gar nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe. Lass uns zum Strand gehen. Wir haben einiges nachzuholen.«
    »Du bleibst heute Abend doch zum Essen, Immo? Es gibt frische Fleischsuppe und Schafsschinken mit Klößen.« Hiskes Ton hätte kaum einen Widerspruch geduldet und so nickte Immo nur lächelnd.
    Am Abend, als Immo gegangen war, betrachtet Lea sich im Spiegel über dem Waschtisch. Sie löste das Tuch und ließ es zu Boden fallen. Dann beugte sie sich näher zu ihrem Antlitz und berührte mit einem Finger die Stelle auf ihrer Wange, die Immo zum Abschied geküsst hatte. Röte stieg Lea ins Gesicht. Sie schüttelte den Kopf über ihre Reaktion. Es war ein freundschaftlicher Kuss gewesen, mehr nicht.
    Lea seufzte. Nichts hatte sich verändert. Nicht ihre Liebe, nicht seine Freundschaft. Es war schön gewesen, die Zeit mit ihm zu teilen, in Erinnerungen zu schwelgen. Schön und doch auch bitter. Denn Immos Freundschaft reichte ihr nicht mehr. Sie würde es nicht lange ertragen können, sich zu verstellen.
    Lea blickte aus dem Fenster. Die Wolken teilten sich ganz kurz und sie sah den Mond, rund und leuchtend. Traurigkeit stieg in Lea auf.
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