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Titan 22

Titan 22

Titel: Titan 22
Autoren: Brian W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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negativen Resultate deiner Expedition das eher wieder zweifelhaft erscheinen lassen.« Er fuhr fort: »Der Behälter wurde angelegt, als sie die ersten Versuche zum Raumflug unternahmen, unmittelbar nach ihrer Entdeckung der Atomkraft, in der ersten Aufwallung ihrer Jugend. Wahrscheinlich wurde der Behälter in einer Art überschäumender Verspieltheit geschaffen, ohne den ernsthaften Glauben, daß er je den Zweck erfüllen würde, für den er bestimmt war.« Er sah den Forscher eigenartig an. »Wenn ich mich nicht täusche, haben wir ähnliche Lager angelegt.«
    Nach einer Weile fuhr der Archäologe fort. »Meine Rekonstruktion ihrer Geschichte nach Schließen dieses Behälters war freilich größtenteils hypothetisch. Ich kann nur Vermutungen bezüglich der Gründe ihres Abstiegs und Untergangs anstellen. Stützendes Material ist nur in sehr bescheidenem Maße hereingekommen, obwohl wir immer noch an weit voneinander entfernten Punkten gründliche Ausgrabungen veranstalten. Hier sind die letzten Berichte.« Er warf dem Forscher ein kleines Bündel aus Metallblättern zu. Es flog merkwürdig langsam.
    »Das ist mir von Anfang an so eigenartig vorgekommen«, meinte der Forscher und legte die Blätter beiseite, nachdem er einen kurzen Blick darauf geworfen hatte. »Wenn diese Geschöpfe relativ fortgeschritten waren, warum haben wir dann nicht schon früher von ihnen erfahren? Sie müssen so viele Dinge hinterlassen haben – Bauten, Maschinen, Großprojekte, einige von ihnen in sehr großem Maßstab. Man würde meinen, daß wir überall Spuren davon finden müßten!«
    »Darauf habe ich vier Antworten«, erwiderte der Archäologe. »Die erste ist die naheliegendste. Zeit. Ganze geologische Epochen. Die zweite ist etwas subtiler. Was ist, wenn wir vielleicht am falschen Ort nachgesehen haben? Ich meine, wenn diese Geschöpfe einen ganz anderen Teil der Erde bewohnten als wir? Zum dritten: Es ist möglich, daß außer Kontrolle geratene Atomenergie die Rasse vernichtet und ihre Spuren zerstört hat. Die meßbare Verbreitung radioaktiver Verbindung auf der gesamten Erdoberfläche stützt diese Theorie.
    Zum vierten«, fuhr er fort, »glaube ich, daß eine intelligente Spezies, wenn sie einmal anfängt, sich zurückzuentwickeln, auch dazu neigt, all die Dinge zu zerstören – oder besser gesagt, zu verderben –, die sie mit Mühe geschaffen hat. Große Gebäude werden niedergerissen, um kleinere zu machen, Maschinen werden zerlegt und zu primitiven Werkzeugen und Waffen verarbeitet. Das ist eine Art der Entwirrung oder der Auslöschung. Eine Art kulturelles Zweites Gesetz der Thermodynamik beginnt zu wirken, wodurch der Intellekt und all seine Werke stufenweise auf das niedrigste Niveau der Kreativität abgebaut werden.«
    »Aber warum?« Der Forscher schien Schmerzen zu leiden. »Warum sollte irgendeine intelligente Spezies so enden? Ich räume ein, es ist möglich, daß Atomkraft außer Kontrolle gerät, aber man müßte doch meinen, daß sie dagegen Vorkehrungen getroffen haben. Trotzdem, es könnte passieren. Aber jene vierte Antwort – die ist morbid.«
    »Kulturen und Zivilisationen sterben«, sagte der Archäologe in sachlichem Tonfall. »Das ist auch in unserer eigenen Geschichte wiederholt geschehen. Warum nicht auch eine ganze Spezies? Ein Individuum stirbt – und liegt denn tatsächlich im Tode einer Spezies etwas, das an sich schrecklicher wäre als im Tode eines Individuums?«
    Er machte eine Pause. »Im Hinblick auf die Angehörigen dieser einen Spezies glaube ich, daß eine gewisse temperamentsbedingte Instabilität ihr Ende beschleunigte. Ihr Appetit und ihre Gefühle waren ihrem Verständnis und ihrem Sinn für Dramatik nicht hinreichend untergeordnet – ihre Freude, die sie an der Komödie und der Tragödie der Existenz empfanden. Sie waren ungeduldig und leicht durch Enttäuschung aus der Bahn zu werfen. Sie scheinen in ihren Vergnügungen ganz besonders schuldig gewesen zu sein, und benahmen sich entweder wie bedrückte Moralisten oder Verschwender.
    Wegen ihrer Tabus und einer im Übermaß ausgeprägten Besitzgier«, fuhr er dann fort, »neigte jedes Individuum dazu, seine Zuneigung auf eine winzige Familie zu konzentrieren. In vielen Fällen konzentrierte er seine Liebe auch auf sich alleine. Sie legten großen Wert auf persönliches Prestige, die Ansammlung von Wohlstand, die Ausübung von Macht. Ihre auffällige Fähigkeit für das Denken und für manipulative Aktivitäten richtete sich eher
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