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Titan 22

Titan 22

Titel: Titan 22
Autoren: Brian W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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dieselbe Zahl in Schlachten getötet, und die Schlachten wären nicht so gut gewesen«, sagte Michael. »Erkennt ihr Erdlinge denn nicht, daß wir die höhere Rasse sind? Wir haben Wurzeln von großem Alter.«
    »Wir haben Wurzeln, die älter sind als alt«, widersprach der Pilger. »Ihr seid böse Kinder ohne Mitgefühl.«
    »Mitgefühl? Für die Eretzi?« schrie Lonnie ungläubig.
    »Habt ihr Mitgefühl für Mäuse?« wollte Ralpha wissen.
    »Ja, ich habe Mitgefühl für Mäuse«, sagte der Pilger mit weicher Stimme.
    »Jetzt will ich etwas raten«, warf Ralpha ein, nachdem sie alle ihre beschädigten Körper repariert hatten. »Du reist als Pilger, und Pilger kommen manchmal von weither. Du bist kein Eretzi, du bist einer der Väter von zu Hause und reist in der Maske eines Eretzipilgers. Ihr habt diese Einrichtung, daß manchmal einer von euch auf diese Welt kommt – auf jede Welt –, um zu sehen, wie sie sich bewegt. Vielleicht bist du hierhergekommen, um ein Ereignis zu erforschen, das sich vor einem Tag auf Eretz begeben haben soll.«
    Ralpha meinte nicht vor einem Eretzitag, sondern einem Tag daheim. Die hohe Straße, auf der sie sich befanden, war in Syrien, nicht weit entfernt von dem Ort, von dem es hieß, daß sich dort das Ereignis begeben habe. Und Ralpha beharrte:
    »Du bist kein Eretzi, sonst würdest du es nicht wagen, dich uns in den Weg zu stellen, wissend, was wir sind.«
    »Du vermutest falsch, darin und in allem«, sagte der Pilger. »Ich bin von dieser Erde, irdisch, ein Mensch. Und ich werde mich nicht von ein paar Kindern einschüchtern lassen, welcher Spezies auch immer sie angehören! Ihr seid von schwächerem Fleisch als wir. Ihr versteckt euch in anderen Körpern und ihr bringt Erdlinge dazu, eure Dreckarbeit zu machen. Und meinem Stab seid ihr nicht gewachsen!
    Geht nach Hause, ihr dummen kleinen Bälger!« Und dabei hob er wieder seinen schrecklichen Stab.
    »Unsere Zeit ist fast um. Wir werden bald gehen«, sagte Joan leise.
    Das letzte Spiel, das sie spielten? Sie spielten Heilige – für das Böse, das sie getan hatten, indem sie zu unrecht das Spiel spielten, das sie ›Körper‹ nannten und das sie mit lebenden Soldaten Krieg gespielt hatten. Aber sie bereuten die Dinge nur, nachdem sie ihren Spaß an ihnen gehabt hatten. Sie spielten Heilige in Sack und Asche und belebten damit diesen Brauch wieder unter den Eretzi.
    Und schließlich versammelten sie sich alle und starteten von dem hohen Berg zwischen Prato und Florenz in Italien. Die Felsen flossen wie Wasser, wo sie abzogen, und jetzt müßte dort eine doppelte Kieselformation sein.
    Dann waren sie weg, und das war das Ende von ihnen hier auf der Erde.
    Aber es gibt eine Theorie, daß einer der beiden Hinkebeins zurückblieb und noch bei uns ist. Hinkebein und sein Geschöpf konnten nicht voneinander unterschieden werden und waren am Ende selbst nicht mehr dazu imstande, sich zu unterscheiden. Sie warfen eine Eretzimünze, Kaiser oder Schild, um zu sehen, welcher gehen und welcher bleiben würde. Einer ging und einer blieb. Einer ist immer noch hier.
    Aber Hinkebein befaßte sich immer nur mit den kranken Spielzeugen, den mechanischen Dingen, den materiellen Erfindungen. Wäre es besser gewesen, wenn Ralpha oder Joan bei uns geblieben wären? – Die hätten uns inzwischen zu Asche verbrannt! Es waren verdammenswerte und verantwortungslose Kinder.
    Die kurze historische Monografie ist nicht zur Unterhaltung oder zum Vergnügen zusammengestellt worden. O nein! Wir bedenken das Beweismaterial, wonach Kinder hier mehr als einmal ihre kurzen Ferien verbracht haben, auf beiden Hemisphären. Wir bauen die Thesen in geordneten Parallelen auf und entdecken, daß wir begonnen haben, unerklärlich zu zittern.
    Wann waren zuletzt solche Besucher hier? Was hat uns während der letzten langen Eretzigeneration befallen?
    Wir betrachten eine neue Periode – und sie tritt in der Gegenwart zutage – mit Aspekten, die so völlig anders sind als alles, das sich vorher begab, so daß wir nur verstört und staunend fragen können:
    »Sind wir das, die sich so benehmen?
    Sind es Geschöpfe einer anderen Art oder sind wir jene Geschöpfe geworden?
    Sind wir wir selbst? Sind das unsere Taten?«
    Manchmal haben wir das Gefühl, daß es große herrische Gesichter sind, die uns über die Schulter blicken, und wir hören die kalten Stimmen älter gewordener Kinder, die spöttisch fragen: »Mitgefühl? Für Erdlinge?« Und dann ist ein häßliches,
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