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Titan 20

Titan 20

Titel: Titan 20
Autoren: Brian W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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Andro alleine in der Dämmerung der Stadt von endlosem Blau. Er stand alleine, die kräftigen Schultern gegen die Mauern am Ende einer namenlosen Gasse gestemmt. Und seine Brandwunden eiterten und schwächten ihn, aber die Hand, die die Waffe umfaßt hielt, war fest. Vierzig Schiffe waren es einmal gewesen, und jetzt gab es keine mehr. Siebentausend hatten ihm Treue über den Tod hinaus gelobt, und von den siebentausend war die letzte, das Mädchen Daylya, gestorben, als er sie aus dem Wrack des letzten Schiffs schleppte.
    Er war ein großer Mann, und er wartete mit der Geduld eines großen Mannes. Er wartete, und der Haß verlieh ihm die Kraft, trotz seiner Schmerzen aufrecht zu stehen. Einmal lächelte er, als er daran dachte, was es sie gekostet hatte. Viermal siebentausend. Fünfmal vierzig Schiffe. Die Gerüchte zwischen all den Planeten des Imperiums würden diese Zahlen noch größer werden lassen. An heimlichen Orten würde man von den Taten Andros flüstern, und eines Tages würde ein anderer es wagen, und der würde siegen. Andro hatte ihnen gezeigt, ihnen allen hatte er es gezeigt, daß Revolution möglich war, selbst erfolglose Revolution. Und viele würden denken, daß dies eine gute Art zu sterben war.
    Die Kriege der Nationen auf der antiken Erde waren die vernunftgemäße Erklärung für die Gründung dessen gewesen, woraus ein galaktisches Reich geworden war. Jahrhundertelang, während der Mensch sich explosionsartig durch die Weiten der Sterne ausgebreitet hatte, war das Imperium schwach gewesen. Und dann, als die galaktischen Kriege begannen, Stern gegen Stern, Sternhaufen gegen Sternhaufen, hatte das Imperium seine alte Stärke zurückgewonnen, einfach weil es notwendig erschien.
    Und das Haus Galvan hatte das Reich einige tausend Jahre lang regiert. Shain von Galvan war nicht besser und nicht schlechter als der Durchschnitt, das wußte Andro. Das Haus Galvan hatte es sich nicht erlaubt, schwach zu werden. Die Männer zogen hinaus zu den fernen, wilden Planeten, um dort die Mütter des Reiches zu finden, Weiber mit starken Schenkeln und fruchtbarem Schoß. Die Männer des Hauses Galvan waren groß. Aber das Haus hatte zu lange regiert.
    Ihre Regierung hatte in einer Zeit der Aufklärung begonnen und sich fortgesetzt durch eine Zeit des Aberglaubens und der Stagnation. Andro, der jüngste Sohn, war nicht so geschickt und sorgfältig mit den Sitten des Reiches indoktriniert worden wie sein ältester Bruder Larrent oder der mittlere Bruder Masec. Er hatte viel über die alten Zeiten gelesen. Und dann, durchdrungen von den Traditionen der frühen Tage, hatte er sich umgesehen.
    Er hatte die geckenhaft herumstolzierenden, parfümierten Künstler gesehen, die mit unverständlichen Farbklecksen die äußerste Realität darzustellen behaupteten. Er hatte die Sklavenmärkte von Simpar und Chaigan besucht und sich angewidert abgewandt. Er hatte gesehen, daß die Schiffe alte Schiffe waren, die Waffen alte Waffen, und die alten Lieder vergessen. Er hatte die verstaubten, verkommenden Maschinen gesehen, die die Hoffnung der Menschen gewesen waren, während zehntausend Arbeiter mit Hand und Peitsche einen Tempel zum Ruhme des Hauses Galvan errichteten.
    Und er hatte gesagt: »Dies ist das finstere Zeitalter des Reiches. Wir haben genug gehabt.«
    In den großen Palästen und Festungen im Herzen des Reiches auf dem grün-goldenen Planeten im Herzen der Galaxis, der Rael hieß, bedurfte es selbst für ihn als jüngsten Sohn des Herrschers nur einer schlaffen Handbewegung, um vierzig Sklavenmädchen sein eigen zu nennen, oder die seltensten Weine, oder den Steuertribut von einem Dutzend Planeten auf hundert Jahre.
    Und er sagte: »Wir haben genug gehabt.«
    Und Shain sagte: »Laßt ihn töten!«
    Und Larrent und Masec sagten: »Laßt ihn töten!«
    Der Tod war nahe. Das letzte Schiff war nahe bei der Mauer der leeren blauen Stadt abgestürzt. Die Brandwunden an seiner linken Seite waren tief genug, daß er zwei Fäuste hineinlegen konnte, und jedesmal dauerte die Welle der Schwäche, die ihn überlief, länger. Er wollte noch einen oder zwei oder drei oder sogar ein Dutzend mitnehmen. Noch ein kleines Fragment, das man der Legende hinzufügen konnte, damit man später einmal in ehrfürchtigem Flüsterton sagen konnte: »Und als sie ihn schließlich alleine auf Zeran in die Enge trieben, da hat er ...«
    Andro hustete, und es war ein Geräusch so schwach wie die Stimme einer Katze in der ewigen Dämmerung.
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