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Titan 18

Titan 18

Titel: Titan 18
Autoren: Brain W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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gewisser kleiner Echsen ein und begann, ihre Entwicklung zu lenken.
    Es war eine Aufgabe von immenser Tragweite, selbst für ein Wesen, das den Tod nie kennen konnte. Generation nach Generation der Echsen sank in die Vergangenheit, ehe sich auch nur die geringste Verbesserung in der Rasse einstellte. Und stets kehrte der Schwarm zur festgelegten Zeit zu dem Treffpunkt in den Bergen zurück. Stets tat er dies vergebens; da wartete kein Bote von den Sternen, um die Nachricht von mehr Glück anderswo zu bringen.
    Die Jahrhunderte dehnten sich zu Jahrtausenden, die Jahrtausende zu Äonen. Nach den Maßstäben der geologischen Zeit veränderten sich die Echsen jetzt schnell. Und dann waren sie plötzlich keine Echsen mehr, sondern warmblütige, mit Pelz bedeckte Geschöpfe, die lebende Junge zur Welt brachten. Sie waren immer noch klein und schwächlich und ihr Geist nur rudimentär, aber sie trugen die Saat zu künftiger Größe in sich.
    Doch nicht nur die lebenden Geschöpfe änderten sich, während die Zeitalter langsam verstrichen. Kontinente wurden auseinandergerissen, Berge vom Gewicht des unermüdlichen Regens abgeschliffen. Und während all dieser Veränderungen hielt der Schwarm an seinem Ziel fest; und stets begab er sich zur festgesetzten Zeit an den Treffpunkt, der vor so langer Zeit ausgewählt worden war, wartete geduldig eine Weile und kehrte wieder um. Vielleicht suchte der Elterschwarm immer noch, oder vielleicht – ein Gedanke, den zu erfassen schrecklich war –, vielleicht hatte ihn ein unbekanntes Schicksal ereilt, und er war den gleichen Weg gegangen wie die Rasse, die er einmal beherrscht hatte. Es gab nichts zu tun, außer zu warten und zu sehen, ob man das hartnäckige Leben dieses Planeten auf den Pfad zur Intelligenz zwingen konnte.
    Und so verstrichen die Äonen …
    Irgendwo im Labyrinth der Evolution machte der Schwarm seinen fatalen Fehler, schlug an einer Gabelung den falschen Weg ein. Hundert Millionen Jahre waren verstrichen, seit er zur Erde gekommen war, und er war sehr müde. Er konnte nicht sterben, wohl aber degenerieren. Die Erinnerungen an seine uralte Heimat und an sein Ziel begannen schwach zu werden: seine Intelligenz begann zu verblassen, während gleichzeitig seine Wirte den langen Abhang hinaufkletterten, der zu eigenem Bewußtsein führen würde.
    Einer kosmischen Ironie zufolge hatte sich der Schwarm selbst erschöpft, indem er den Anstoß gab, der eines Tages dieser Welt die Intelligenz bringen würde. Er hatte das letzte Stadium des parasitären Daseins erreicht; er war nicht länger imstande, abgesondert von seinen Wirten zu existieren. Nie wieder konnte er frei über der Welt dahinziehen, von Wind und Sonne getrieben. Um die Pilgerfahrt zum uralten Treffpunkt zu machen, mußte er langsam und schmerzhaft in tausend kleinen Körpern reisen. Und doch behielt er die uralte Sitte bei, getrieben von der Begierde zur Wiedervereinigung, die jetzt um so heißer brannte, da er die Bitterkeit des Versagens kennengelernt hatte. Nur wenn der Elterschwarm zurückkehrte und ihn wieder in sich aufnahm, würde er wieder neues Leben und neue Kraft kennenlernen.
    Die Gletscher kamen und gingen; durch ein Wunder entkamen die kleinen Tiere, die jetzt die verblassende fremde Intelligenz beherbergten, den tastenden Fingern des Eises. Die Ozeane überwältigten das Land, und immer noch überlebte die Rasse. Sie vermehrte sich sogar, aber zu mehr war sie nicht imstande. Diese Welt würde niemals ihr Erbe sein, denn weit entfernt, im Herzen eines anderen Kontinents, war ein bestimmter Affe von den Bäumen heruntergestiegen und blickte mit einem ersten Schimmer von Neugierde zu den Sternen auf.
    Der Geist des Schwarms war dabei, sich aufzulösen, sich über eine Million winziger Körper zu verteilen, war nicht länger imstande, sich zu vereinen und seinen Willen durchzusetzen. Er hatte jegliche Verbindung verloren; seine Erinnerungen begannen blaß zu werden. In einer Million Jahren, höchstens, würden sie alle dahin sein.
    Nur eines blieb – der blinde Drang, der ihn immer noch trieb, in Intervallen, die jetzt durch irgendeine seltsame Abweichung immer kürzer wurden. Der Drang, der ihn trieb, seine Erfüllung in einem Tal zu suchen, das schon lange aufgehört hatte, zu existieren.
    Ruhig im Mondschein dahintreibend, passierte der Vergnügungsdampfer die Insel mit ihrem blinkenden Leuchtturm und fuhr in den Fjord hinein. Es war eine ruhige, friedvolle Nacht, die Venus versank im Westen
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