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Titan 17

Titan 17

Titel: Titan 17
Autoren: Ronald M. Hahn , Wolfgang Jeschke
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Von dem Zeitpunkt an, da die Chemiker des Internationalen Geophysikalischen Instituts bekanntgegeben hatten, daß der Kohlendioxidanteil der Atmosphäre von 0,04 Prozent auf 0,1 Prozent gestiegen war, bis zu dem, da die irdische Lufthülle auf der Höhe des Meeresspiegels sechs Prozent des tödlichen Gases aufwies, waren mehr als zweihundert Jahre vergangen.
    Die Symptome der Vergiftung stiegen mit heimtückischer Langsamkeit. Zuerst fühlte man sich matt, dann reagierte das Gehirn immer schwerfälliger – und schließlich verlor der Körper seine Kraft. Der Menschen wurden immer weniger, und irgendwann war nur noch ein Bruchteil der einstigen Bevölkerung am Leben. Es gab nun mehr Raum für sie auf den Höhen – aber die Gefahrengrenze schob sich unerbittlich immer näher auf sie zu.
    Es gab nur eine Lösung. Wenn es dem menschlichen Körper nicht gelang, sich an das Gift anzupassen, war die Menschheit zum Untergang verdammt. Es gelang schließlich, sie soweit zu entwickeln, daß sie das Gas, das ein Volk nach dem anderen ausradiert und eine Nation nach der anderen vom Erdboden hatte verschwinden lassen, ertragen konnte. Aber die Entwicklung hatte einen schrecklichen Tribut gefordert. Zwar hatte man nun größere Lungen, um genug Sauerstoff einatmen zu können, von dem alles Leben abhing, aber das Gift, das man mit jedem Atemzug ebenfalls inhalierte, führte dazu, daß die wenigen Überlebenden kränkelten und unaufhörlich unter Schwächeanfällen litten. Was ihr Bewußtsein anbetraf, so fehlte ihnen die Energie, sich mit neuen Problemen auseinanderzusetzen, oder das Wissen, das sie in dem einen oder anderen Fall besaßen, weiterzugeben.
    Und dreißigtausend Jahre später kroch Burl, ein direkter Nachfahre des ersten Präsidenten der Universal-Republik, durch einen Wald, der aus Giftpilzen und ähnlichen Gewächsen bestand. Er wußte weder etwas von Feuer und Metallen noch von der Verwertbarkeit von Steinen und Holz. Er war nur mit einem Fetzen bekleidet, und seine Sprache bestand aus einer mageren Ansammlung von mehreren hundert Lippenlauten, die für Abstraktionen keinen Platz hatte und nur auf wenige konkrete Dinge beschränkt war.
    Was man mit Holz anfangen konnte, wußte Burl schon aus dem Grunde nicht, weil es in dem kleinen Gebiet, das sein Stamm bewohnte, so etwas nicht gab. Mit dem Hitze- und Feuchtigkeitsanstieg waren die Laub- und Nadelbäume nämlich ausgestorben. Zuerst hatte es jene erwischt, die an ein nördliches Klima angepaßt gewesen waren: Tannen, Kiefern, Lärchen, Birken, Eichen, Zedern und Ahorn. Dann waren die Pinien gefolgt – die Buchen waren schon früher verschwunden –, und schließlich auch die Zypressen. Dann waren sogar die Bäume des Dschungels eingegangen. In der erstickenden Atmosphäre konnten nur noch Gräser, Ried, Bambus und ähnliche Gewächse existieren. Das Dschungeldickicht hatte engstehenden Gräsern und Farnen Platz gemacht, die inzwischen wieder Baumgröße erreicht hatten.
    Und dann waren die Pilze gekommen. Sie hatten sich wie nie zuvor entwickelt und gediehen auf dieser Welt der glühenden Hitze und des fortwährenden Gifthauchs, dessen dichte Wolkenbänke die Sonne nie durchdrang, ausgezeichnet. Besonders gut wuchsen sie an den Rändern der feuchten Tümpel, die die Erdoberfläche bedeckten. In jeder nur denkbaren Schattierung und Farbe, in allen monströsen Formen und finsteren Abarten, groß und klein, verbreiteten sie sich über das Land.
    Die Gräser und Farne machten ihnen Platz. Klobige Giftpilze, abblätternde Schimmelpilze, ekelhafte Schwämme und übelriechende Hefepilze wuchsen durcheinander, wobei sie einen Geruch erzeugten, der Plätzen anhaftet, die von der Sonne nie beschienen werden.
    Nun formierten sich die seltsamen Gewächse zu Wäldern, auch wenn sie nur schrecklich anzusehende Travestien jener Vegetation darstellten, die sie abgelöst hatten. Sie wuchsen und wuchsen mit einer geradezu fieberhaften Intensität unter dem bewölkten Himmel, während über ihnen gigantische Schmetterlinge und Riesenmotten kreisten, für die die Fäulnis viele Leckerbissen bereithielt.
    Von allen Tieren, die nicht im Wasser gelebt hatten, waren lediglich die Insekten fähig gewesen, den Wechsel zu überstehen. Ihre Zahl war außerordentlich angestiegen, und in der dichter gewordenen Atmosphäre hatten sie zudem noch an Größe gewonnen. Die vereinzelt übriggebliebene, von den Gräsern und Pilzgewächsen klar unterscheidbare Vegetation, war nun eine degenerierte
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