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Titan 17

Titan 17

Titel: Titan 17
Autoren: Ronald M. Hahn , Wolfgang Jeschke
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auf, der gemächlich über dem dunstigen Erdboden dahinzog.
    Vor dreißigtausend Jahren hatten die Menschen derartige Phänomene Irrlichter genannt, aber Burl, der sie einfach nur anstarrte und akzeptierte – wie er alles hinnahm, was die Welt ausmachte –, wußte davon nichts, denn nur ein Mensch, der die Absicht hat, die Zivilisation weiterzubringen, versucht alles zu erklären, was er sieht. Was den Primitiven und das Kind angeht, so sind beide meist damit zufrieden, das, was sie beobachten, kommentarlos hinzunehmen, sie wiederholen allenfalls die Legenden, die ihnen die Weisen erzählt haben, die über ein bestimmtes Wissen verfügen.
    Burl musterte die Umgebung lange. Riesige Leuchtkäfer, die ihre Umgebung meterweit erhellten (Burl wußte, daß sie nicht länger waren als sein Hornspeer), glitten über dem Strom dahin. Leiser Flügelschlag fächelte ihm Luft zu.
    Die Luft wimmelte von geflügelten Kreaturen. Ihre Rufe zerrissen die Stille der Nacht. Überall ertönte das Schlagen ihrer Flügel, undBurl hörte immer wieder Paarungs- und Todesschreie. Über ihm und neben ihm war die Welt voller insektenhaftem Leben, aber er selbst hockte auf einem zerbrechlichen Pilzfloß und hatte das Gefühl, weinen zu müssen, weil er sich immer weiter von seinem Stamm und von Saya entfernte. Er sehnte sich besonders nach Saya, dem Mädchen mit den flinken Beinen, den weißen Zähnen und dem schüchternen Lächeln.
    Möglicherweise hatte Burl auch Heimweh, aber seine Gedanken galten vor allem Saya. Er hatte den Mut besessen, etwas für sie zu fangen. Er hatte ihr ein Stück von einem köstlichen Fisch bringen wollen. Als erster seines Stammes hatte er es fertiggebracht, sich selbständig eine Beute zu erjagen – und nun entfernte er sich immer weiter von ihr.
    Den größten Teil der Nacht lag Burl tiefbetrübt auf seinem dahintreibenden Pilzbrocken. Mitternacht war lange vorüber, als sein Gefährt sanft irgendwo auflief und auf seichtem Untergrund steckenblieb.
    Als mit dem Morgen die Helligkeit wiederkam, sah Burl sich neugierig um. Er war etwa zwanzig Meter vom Flußufer entfernt, und der grüne Schleim hatte sein gestrandetes Boot inzwischen völlig umzingelt. Der Fluß war an dieser Stelle viel breiter als sonst, und durch den Morgendunst konnte er das andere Ufer kaum noch erkennen. Was den näherliegenden Landstreifen anging, so schien er Burl auch nicht mehr Gefahren zu bergen als die Gegend, in der sein Stamm zu Hause war. Mit Hilfe seines Hornspießes maß er die Wassertiefe. Es war erstaunlich, was man mit diesem Ding alles anstellen konnte. Der Fluß war hier kaum mehr als knietief.
    Vor Angst ein wenig zitternd glitt Burl in das Wasser hinein und bewegte sich, so schnell ihn seine Beine trugen, dem Ufer entgegen. Er fühlte plötzlich, daß sich etwas an seinen nackten Fuß klammerte. Von einem heftigen Entsetzen gepackt, lief er schneller und stolperte schließlich panikerfüllt an Land. Er starrte auf seinen Fuß. Ein formloser, fleischfarbener Wurm hatte sich an seine Ferse geheftet, und während Burl ihm zusah, schwoll er langsam an und wurde dunkler.
    Es handelte sich lediglich um einen Blutegel, der – wie die meisten niederen Lebensformen dieser Welt – ebenfalls an Größe gewonnen hatte, aber das wußte Burl nicht. Er versetzte dem Blutegel einen Schlag mit seiner Waffe, begann dann mit aller Kraft an ihm zu zerren und riß ihn ab. Dort, wo das Lebewesen sich angesaugt hatte, war auf seiner Haut ein Blutfleck zu sehen. Burl ergriff die Flucht und ließ den Egel zuckend und pulsierend hinter sich auf dem Boden zurück.
    Darauf fand er sich in einem der Riesenpilzwälder wieder. Mit einer solchen Umgebung war er vertraut, deswegen legte er eine Pause ein. Trotz seiner Mutlosigkeit erkannte er die Natur der ihn umgebenden Gewächse sofort und fing auf der Stelle an, Pilzfleisch zu essen. Der Anblick von Nahrung machte Burl stets hungrig. Für jemanden, der nicht auf die Idee kam, sich Vorräte anzulegen, war dies die einzige Möglichkeit, wollte er nicht Hungers sterben.
    Burl fühlte sich in diesem Augenblick ziemlich klein. Er hatte sich weit von seinem Stamm und Saya entfernt. Möglicherweise trennten sie nicht mehr als sechzig Kilometer, aber solche Begriffe sagten ihm nichts. Burl wußte nur, daß er den Fluß hinabgefahren war und sich in einem Land aufhielt, von dem er bisher weder etwas gehört noch etwas gesehen hatte. Und er war allein.
    Verpflegung gab es hier genug. Die Pilze waren eßbar
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