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Titan 13

Titan 13

Titel: Titan 13
Autoren: Ben Bova , Wolfgang Jeschke
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schon eine Bezeichnung dafür?«
    »Noch nicht ganz«, sagte der Bürgermeister. »Es sei denn, Sie mögen lange Titel. Es handelt sich einfach um ein Problem in politischem Pseudomorphismus.«
    Amalfi sah Karsts bewußt gleichgültiges Gesicht, und sein Grinsen wurde breiter. »Oder«, sagte er, »die altehrwürdige Kunst, seinen Gegner dazu zu verleiten, mit seinem Kopf nach einem zu werfen.«
     
     
3
     
    Die IMT war eine plumpe, schwerfällige Stadt, die schon lange in dem steinigen Boden Wurzeln geschlagen hatte und die aussah, als wäre sie so unveränderlich wie ein Wald von Obelisken. Und ihre Stille war wie die Stille des Grabes, und die Büttel, die die fächerähnlichen Insignien ihres Amtes trugen, durchbohrte Fächer mit ausgefranstem Oberteil und kleinen klirrenden Anhängern, wirkten wie Mönche, die sich zwischen den Toten bewegten.
    Die Stille ließ sich natürlich sehr leicht erklären. Den Sklaven war es nicht gestattet, im Innern der IMT zu reden, sofern sie nicht angesprochen wurden, und in der Stadt gab es vergleichsweise wenige Büttel, die sie hätten ansprechen können. Und für Amalfi hing das erzwungene Schweigen der hingeschlachteten Millionen von Thor V in der Luft. Er fragte sich, ob die Büttel wohl dieses Schweigen noch hören konnten.
    Die nackte braune Gestalt eines Sklaven begegnete ihnen. Er blickte verstohlen zu ihnen auf, sah Heldon und hob in der gewohnten Geste des Respekts den Finger an die Lippen. Heldon nickte kaum. Amalfi nahm den kleinen Zwischenfall kaum zur Kenntnis, dachte aber: Pst soll das wohl heißen? Kein Wunder. Aber jetzt ist es zu spät, Heldon. Das Geheimnis ist keines mehr.
    Karst trottete hinter ihnen her und warf gelegentlich unter seinen dichten Augenbrauen einen argwöhnischen Blick auf Heldon. Aber der Vorsicht hätte es gar nicht bedurft. Sie passierten einen verfallenen öffentlichen Platz, in dessen Zentrum eine vom Zahn der Zeit zernagte Gruppe von Statuen aufragte, so konturlos, daß sie jede Integrität verloren hatte, die sie vielleicht einmal besessen haben mochte. Integrität, dachte Amalfi, zählt nicht zu den Eigenschaften von Denkmälern. Für den ungeübten Blick hätte die Steinmasse ebensogut ein Trümmerhaufen von mäßiger Größe sein können.
    Aber Amalfi konnte erkennen, daß das Gebilde, das nach Vorbildern eines alten Bildhauers namens Moore gestaltet war, einmal eine ganz bestimmte Bedeutung besessen hatte. Jeder Stein hatte einst eine kraftvolle menschliche Gestalt dargestellt, die ihren Fuß auf den Nacken eines anderen Menschen gesetzt hatte. Einst war die IMT offenbar stolz auf die Erinnerung an Thor V gewesen…
    »Vor uns ist der Tempel«, sagte Heldon plötzlich. »Die Maschinen sind darunter. Um diese Stunde sollte eigentlich niemand von Interesse im Tempel sein, aber ich will mich trotzdem vergewissern. Warten Sie hier.«
    »Und wenn uns jemand bemerkt?« fragte Amalfi.
    »Man meidet diesen Platz gewöhnlich. Außerdem habe ich Männer aufgestellt, um Neugierige fernzuhalten. Wenn Sie hierbleiben, sind Sie außer Gefahr.«
    Der Büttel ging auf das große Kuppelgebäude zu und verschwand plötzlich in einer Gasse. Hinter Amalfi begann Karst mit außergewöhnlich krächzender Stimme zu singen, aber ganz leise: eine Art Volkslied offensichtlich. Die Melodie, die früher einmal von einer Stadt namens Kazan gehandelt hatte, war zu viele Tausende von Jahren alt, als daß Amalfi sie erkannt haben könnte, selbst wenn er musikalisches Gehör gehabt hätte. Trotzdem ertappte sich der Bürgermeister dabei, wie er plötzlich Karst lauschte, so gespannt wie eine Eule, die eine Feldmaus verfolgt. Karst sang:
    »Wild im Winde hob der Groll von Maalvin sich,
    zog wie ein Brand ins Ödland hinaus.
    Waffen klirrten, und die Rebellen starben,
    kein Stern, kein Mond erhellte jene Nacht,
    die IMT ließ den Himmel einstürzen.«
    Als er sah, daß Amalfi ihm zuhörte, verstummte Karst mit einer Vergebung heischenden Geste. »Nur zu, Karst«, sagte Amalfi sofort. »Wie geht das Lied weiter?«
    »Dafür ist keine Zeit. Es gibt Hunderte von Versen. Jeder Sänger fügt wenigstens einen weiteren hinzu. Aber am Ende kommt immer der:
    ›Von ihrem Blute schwarz die Steine und Ziegel,
    die hohen Türme fielen.
    Keiner überlebte, der sich Maalvin widersetzte,
    raumwärts jagten ihre Seelen und klagten,
    die IMT ließ den Himmel  einstürzen.‹«
    »Großartig«, sagte Amalfi grimmig. »Jetzt sitzen wir wirklich in der Tinte – ganz unten, würde
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