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Titan 11

Titan 11

Titel: Titan 11
Autoren: Ben Bova , Wolfgang Jeschke
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winzigen Augenblick.«
    » Gestalt ‐Organismus«, murmelte er.
    »Aha!« sagte ich und dachte darüber nach. Ich dachte eine Weile über eine ganze Menge nach. Dann warf ich die Gedanken für einen Moment beiseite und fragte: »Warum habe ich all dies nicht schon eher gewußt?«
    »Dein Unterbewußtsein sträubte sich mit aller Kraft dagegen.«
    Aufgeregt erhob ich mich. »Ich begreife nicht, warum. Das will mir nicht in den Kopf.«
    »Ein ganz natürlicher Abscheu«, versicherte er. »Wie gefällt dir folgende Überlegung? Du ekeltest dich davor, ein weibliches Ego zu übernehmen, und wenn es auch nur für einen Sekundenbruchteil war.«
    »Ganz am Anfang haben Sie mir gesagt, daß darin nicht das Problem liege.«
    »Nun, wie gefällt dir das? Du sagtest, daß du bei dieser Erinnerung wieder Schmerz fühltest. Also wolltest du sie nicht mehr durchleben, aus Furcht, dabei auch den Schmerz noch einmal zu erleben.«
    »Ich muß nachdenken, warten Sie… Ja, ja, teilweise – in den Verstand eines anderen zu gehen. Sie hat ihn mir geöffnet, weil ich sie an Lone erinnerte. Ich ging hinein, war aber noch nicht bereit dazu, hatte es niemals zuvor getan, nur ein wenig geübt, und gegen den Willen des anderen. Ich ging ganz hinein, und es war zu viel für mich; es erschreckte mich so sehr, daß ich es daraufhin jahrelang nicht mehr versuchte. Und dort lag es, verborgen, weggeschlossen. Aber als ich älter wurde, wurde diese Kraft in meinem Geist immer stärker, und ich weigerte mich immer noch, sie anzuwenden. Je älter ich wurde, desto stärker fühlte ich tief im Innern, daß Miß Kew getötet werden mußte, bevor sie die… mich, die Gruppe, tötete. Mein Gott!« Ich schrie. »Wissen Sie, was ich bin?«
    »Nein«, sagte er. »Würdest du es mir gerne erzählen?« »Ich würde das gerne«, sagte ich. »Ja, ich würde es gerne.« Er hatte diesen berufsmäßigen, wertneutralen Gesichtsausdruck aufgesetzt, kein Glaube, kein Unglaube, er nahm nur alles auf, registrierte nur. Ich mußte es ihm einfach erzählen, aber plötzlich merkte ich, daß mir die Worte fehlten. Ich kannte die Dinge, aber nicht die Namen dafür.
    Lone nahm den Inhalt und warf die Wörter weg wie leere Hülsen.
    Weiter zurück: »Du liest Bücher. Lese sie für mich.« Der Blick seiner Augen. Diese… Aufnahmefähigkeit… Ich ging zu Stern hinüber. Er blickte auf. Ich beugte mich über ihn. Zuerst war er verwirrt, dann begriff er, kontrollierte es, dann beugte er sich näher zu mir.
    »Mein Gott«, flüsterte er. »Ich habe noch gar nicht in diese Augen geschaut. Ich könnte schwören, daß die Iris sich wie ein Rad dreht…«
    Stern las Bücher. Er hatte mehr Bücher gelesen, als nach meiner Vorstellung je geschrieben wurden. Ich schlüpfte hinein, suchte nachdem, was ich brauchte.
    Ich kann nicht genau sagen, wie es wirklich war. Es war, als ob ich durch einen Tunnel ginge und in diesem Tunnel von allen Seiten, auch von oben und unten, hölzerne Arme nach einem griffen, wie auf dem Jahrmarkt, dieses Karussell, wo man Messingringe über Verstrebungen werfen mußte. An jedem dieser Arme hing ein Messing‐ring, und man konnte ihn nehmen, wenn man wollte.
    Und jetzt stellen Sie sich vor, man denke nur an die Ringe, die man braucht, und die Arme halten plötzlich nur noch diese. Man hat plötzlich tausend Hände, mit denen man die Ringe ergreifen kann. Der Tunnel ist Millionen Kilometer lang, und man kann in der Zeit, die man für ein Blinzeln braucht, von einem Ende zum anderen gelangen und dabei alle Ringe ergreifen. Nun, so ähnlich war es, nur einfacher.
    Es war einfacher für mich, als es für Lone gewesen war.
    Ich richtete mich auf und trat zurück. Stern sah krank und verängstigt aus.
    »Schon in Ordnung«, sagte ich.
    »Was hast du mit mir gemacht?«
    »Ich brauchte einige Begriffe. Nun kommen Sie schon, Sie sind doch ein Profi.«
    Ich mußte ihn bewundern. Er steckte die Pfeife in die Tasche und drückte mit den Fingerspitzen hart gegen Stirn und Schläfen. Dann setzte er sich auf und war wieder in Ordnung.
    »Ich weiß schon«, sagte ich. »So fühlte sich Miß Kew, als Lone es mit ihr gemacht hat.«
    »Was bist du eigentlich?«
    »Das werde ich Ihnen sagen. Ich bin die zentrale Nervenleitung eines komplexen Organismus, der aus Baby, einem menschlichen Computer, aus Bonnie und Beanie, Teleportern, Jane, einer Telekinetin und mir selbst, einem Telepathen, zusammengesetzt ist. Ich habe die Führung übernommen. Es gibt nichts an uns, was nicht
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