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Titan 11

Titan 11

Titel: Titan 11
Autoren: Ben Bova , Wolfgang Jeschke
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weiß nichts von solch einem Buch. Kannst du mir mehr erzählen? Wenn du das tust, fällt mir vielleicht das richtige Buch wieder ein, oder ich wüßte, wo ich es bekäme.«
    Mit seinen großen Händen zerbrach er einen Zweig, legte die beiden Teile nebeneinander und zerbrach auch sie mit einem kräftigen Schlag.
    »Ich weiß nur, daß ich es tun muß, genau wie ein Vogel weiß, wann er ein Nest bauen muß. Und ich weiß, daß ich damit fertig bin, nichts habe, womit ich herumprahlen kann. Ich bin wie ein Körper, der stärker und schneller als alle anderen ist, aber habe noch nicht den richtigen Kopf dafür. Aber vielleicht liegt das auch daran, weil ich einer der ersten bin. Das Bild, das du mir gezeigt hast, dieser Höhlenmensch…«
    »Ein Neandertaler.«
    »Ja. Wenn man genau darüber nachdenkt, war er nichts Weltbewegendes. Ein erster Versuch, etwas Neues durchzusetzen. Genau das werde auch ich sein. Aber vielleicht finde ich den richtigen Kopf noch, nachdem ich den Körper zusammengestellt habe. Dann werde ich wirklich jemand sein!« Er grunzte befriedigt und ging davon.
    Ich versuchte es, versuchte es tagelang, konnte aber nicht finden, was er verlangte. Ich fand ein wissenschaftliches Magazin, in dem behauptet wurde, der nächste wichtige Schritt in der Evolution der Menschheit fände eher auf psychischer denn auf physischer Basis statt, aber er sagte nichts aus über einen… soll ich es Gestalt ‐Organismus nennen? Ich fand etwas über eine Art Schleimgeflecht, das aber eher amöbenhaft organisiert war als symbiotisch.
    Für meinen wissenschaftlich nicht geschulten und auch eher desinteressierten Verstand gab es nichts Vergleichbares zu dem, was er sich vorstellte, bis auf eine Kapelle, deren Mitglieder alle verschiedene Instrumente spielten, mit verschiedenen Techniken und Noten, die gemeinsam an sich arbeiteten und dabei etwas erreichten. Aber das hatte er ganz bestimmt nicht gemeint.
    So ging ich in der Kühle eines frühen Herbsttages wieder zu ihm, er nahm das wenige aus meinem Kopf, das darin lag, und drehte sich verärgert um, mit solch einem häßlichen Wort auf den Lippen, daß ich es mir nicht erlauben kann, es zu wiederholen.
    »Du kannst es nicht finden«, meinte er. »Komme nicht mehr zurück.«
    Er stand auf, ging zu einer halbentblätterten Birke und lehnte sich daran, starrte hinab in die winddurchatmeten raschelnden Schatten. Ich glaube, daß er mich schon vergessen hatte, weiß noch, daß er wie ein erschrecktes Tier zurückwich, als ich ihn aus nächster Nähe ansprach. Er mußte tief in Gedanken – so seltsam sie auch gewesen sein mochten – versunken gewesen sein, denn ich bin sicher, daß er mich noch nicht einmal kommen hörte.
    »Lone«, sagte ich, »sei nicht zornig, weil ich es nicht gefunden habe. Immerhin habe ich es versucht.«
    Er hatte sich wieder in der Gewalt und blickte mich mit diesen Augen an. »Zornig? Wer ist zornig auf wen?« »Ich habe versagt«, meinte ich, »und du bist nun wütend.« Er sah mich so lange an, daß ich mich ungemütlich fühlte. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, sagte er dann.
    Ich wollte es nicht zulassen, daß er sich wieder abwandte. Er hätte es getan. Er hätte mich verlassen und niemals wieder an mich gedacht; ich war ihm gleichgültig. Es war nicht Grausamkeit oder Gefühllosigkeit, zumindest nicht in dem Sinne, in dem ich diese Begriffe kenne. Es war ihm gleichgültig wie einer Katze, ob sie nun eine Tulpenblüte abbricht oder nicht.
    Ich faßte seinen Oberarm und schüttelte ihn, aber es war so, als wolle ich mit bloßen Händen ein Haus zum Einsturz bringen. »Du kannst es wissen!« schrie ich ihn an. »Du weißt, was ich gelesen habe. Also mußt du wissen, was ich denke!«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Ich bin ein Mensch, eine Frau«, fuhr ich ihn wütend an. »Du hast mich benutzt und immer wieder benutzt und mir nie etwas gegeben. Wegen dir habe ich alle Gewohnheiten aufgegeben, denen ich mein Leben lang gefolgt bin, habe ich bis spät in die Nacht gelesen, bin im Regen zu dir herausgekommen und auch sonntags – und du redest nicht einmal mit mir, du siehst mich nicht an, du weißt nichts über mich, ich bin dir völlig gleichgültig. Du hast irgendeinen Fluch auf mich gelegt, den ich nicht brechen konnte. Und wenn du fertig bist, sagst du einfach, ›komm nicht mehr zurück!‹«
    »Muß ich dir etwas geben, nur weil ich etwas von dir genommen habe?«
    »Die Menschen machen das so.«
    Er brummte wieder kurz und interessiert.
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