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Titan 11

Titan 11

Titel: Titan 11
Autoren: Ben Bova , Wolfgang Jeschke
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habe sie getötet. Hören Sie zu«, sagte ich. Ich spürte, daß ich schneller sprechen mußte. Ich hatte zwar genug Zeit, mußte aber jetzt alles rasch loswerden. »Ich erzähle Ihnen alles, was ich darüber weiß. Jener Tag, bevor ich sie getötet habe… Ich wachte am Morgen auf, und das saubere Bettuch raschelte unter mir. Sonnenlicht schien durch die weißen Gardinen und die hellen, blauroten Vorhänge. Der Schrank ist voll von meinen Kleidern – meinen, verstehen Sie? Vorher hatte ich nie etwas, was wirklich mir gehörte. Unten klapperte Miriam geschäftig bei den Frühstücksvorbereitungen, und die Zwillinge lachten. Lachten mit ihr, stellen Sie sich das einmal vor! Nicht einfach über andere Leute, wie sie das sonst immer taten.
    Im Nebenzimmer ging Janie singend auf und ab, und ich weiß, daß ihr Gesicht von innen her leuchtet. Ich stehe auf. Es gibt heißes Wasser, und die Zahnpasta beißt auf der Zunge. Die Kleider passen mir, und ich gehe hinunter, und sie sind alle dort und freuen sich, mich zu sehen, und ich freue mich, sie zu sehen, und wir setzen uns nicht eher zu Tisch, als Miß Kew heruntergekommen ist und jeder sie begrüßt hat.
    Und so läuft dann der Morgen ab. Wir haben Schule, mit einer Pause, die wir im großen Wohnzimmer verbringen. Die Zwillinge stecken vor Eifer ihre Zungenspitzen heraus, als sie das Alphabet malen, anstatt es zu schreiben, und wenn Jane Zeit hat, malt sie ebenfalls ein Bild, ein wirkliches Bild mit einer Kuh und Bäumen und einem gelben Zaun, der in der Ferne verschwindet. Ich komme mit einer quadratischen Gleichung nicht weiter, und Miß Kew beugt sich zu mir, um mir zu helfen, und ich rieche den Duft ihrer Kleider. Ich hebe den Kopf, um ihn besser riechen zu können, und weit entfernt höre ich das Klappern der Deckel auf den Töpfen, die in der Küche auf dem Ofen stehen.
    Und so geht auch der Nachmittag vorbei. Wieder Schule, ein paar Hausaufgaben, und dann strömen wir lachend auf den Hof hinaus. Die Zwillinge spielen Fangen und bewegen sich dabei nur auf ihren Füßen. Jane malt die Blätter auf ihrem Bild und versucht sie so hinzubekommen, wie Miß Kew es ihr gesagt hat. Und Baby hat einen großen Lauf stall bekommen. Er bewegt sich nicht mehr viel, sieht uns nur zu und lallt ein wenig und ist immer gefüttert und wird so sauber gehalten wie ein frisches Blatt Stanniolpapier.
    Nach dem Abendessen liest Miß Kew uns vor und verändert ihre Stimme immer dann, wenn in der Geschichte jemand redet, liest schnell, und flüsternd, wenn die Geschichte sie langweilt, aber trotzdem kann man jedes Wort verstehen.
    Und ich mußte sie töten. Das ist alles.«
    »Du hast noch nicht gesagt, warum«, sagte Stern.
    »Was sind Sie – dumm?« schrie ich.
    Stern antwortete nicht. Ich drehte mich auf den Bauch, stützte das Kinn auf die Hände und sah ihn an. Man konnte nie sagen, was wirklich in ihm vorging, aber ich glaube, daß er verwirrt war.
    »Ich habe Ihnen gesagt, warum«, meinte ich.
    »Nicht mir.«
    Plötzlich begriff ich, daß ich zuviel von ihm verlangte. »Wir wachen alle zur gleichen Zeit auf«, sagte ich langsam. »Wir taten alles, was sie von uns verlangte. Wir verlebten den Tag genau wie jemand anders, dachten die Gedanken eines anderen, sagten die Worte anderer Menschen. Janie malte die Bilder eines anderen. Baby sprach zu niemandem mehr, und wir waren alle glücklich dabei. Verstehen Sie jetzt?«
    »Noch nicht.«
    »Mein Gott!« sagte ich und dachte eine Weile nach. »Wir waren nicht mehr eins.«
    »Ihr wart nicht mehr eins? Aber das wart ihr doch schon seit Lones Tod nicht mehr.«
    »Da war es etwas anderes. Da waren wir wie ein Auto, das kein Benzin mehr hatte, aber das Auto war noch da, es fehlte ihm nichts. Aber bei Miß Kew wurde der Wagen langsam in seine Einzelteile zerlegt.«
    Jetzt mußte er nachdenken. Schließlich sagte er: »Der Verstand spielt uns doch schon seltsame Streiche. Manche unserer Handlungen scheinen völlig sinnlos, falsch, verrückt. Aber der Grundstein der Arbeit, die wir hier tun, besteht darin: In dem, was wir tun, liegt eine Kette solider, unangreifbarer Logik. Wenn man tief genug gräbt, wird man den Grund hier genauso finden wie auf einem anderen Gebiet. Denk daran, ich sagte logisch und nicht ›richtig‹ oder ›rechtschaffen‹ oder ›gerecht‹ oder so etwas. Logik und Wahrheit sind oft zwei verschiedene Dinge, wenn sie auch dem Verstand, der die Logik vollzieht, oftmals gleich erscheinen.
    Wenn man an zwei verschiedenen
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