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Titan 01

Titan 01

Titel: Titan 01
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
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niedergeschossen hatte? Wen kümmerte es, daß seine Mutter und seine Tante ihre letzten paar armseligen Cent zusammengekratzt hatten, um die Anwälte zu bezahlen, die ihn vor dem Stuhl bewahrt hatten? Und Carmen, was tat es, daß sie ihm bei der Verhandlung ins Gesicht gespuckt hatten? Die Fremden hatten das alles in Ordnung gebracht.
    Oder nicht?
    Wo die Straße sich in einem Bogen in das Tal hineinzog, bremste er vorsichtig den schweren Wagen ab und fuhr an den Rand. Die Frühjahrsregen mußten bereits eingesetzt haben, weil die felsigen Hänge mit wilden Blumen betupft waren und in frischem, kurzlebigem Grün schimmerten. Die riesigen alten Pappeln am Flußufer zeigten die ersten zarten Blattknospen.
    Das Tal wirkte so sanft und friedlich wie das Gesicht seiner alten Mutter, als sie noch lebte, und die kleine Stadt jenseits des Flusses war so sauber und lieblich, wie er Carmen in Erinnerung hatte. Selbst der Himmel glänzte wie eine blaue Glaskuppel, so als hätten die Fremden ihn irgendwie gewaschen und desinfiziert. Vielleicht hatten sie das getan. Sie konnten ja alles, außer einen Menschen töten.
    Er grinste in sich hinein, als er daran dachte, wie ihn der alte Glatzkopf dazu gebracht hatte, sein Versprechen mit einem Kreuzzeichen zu besiegeln. Vielleicht hatte dieser gelbgesichtige Waschlappen wirklich geglaubt, daß er damit sein Versprechen eher halten würde. Oder hatten sie ihn mit dem Paket, in dem das Schießeisen sein sollte, irgendwie übers Ohr gehauen?
    Er riß es hastig auf. Im Karton fand sich die automatische Pistole, die er verlangt hatte, eine Fünfundvierziger, mit einem Reservemagazin und zwei Schachteln Patronen. Das Ding sah ganz in Ordnung aus, wie es so schwarz und flach und tödlich in seiner Hand lag. Er lud die Waffe und stieg aus dem Wagen, um sie auszuprobieren.
    Er zielte auf eine leere Whiskyflasche im Straßengraben, als in der nächsten Pappel eine Spottdrossel zu singen begann. So schoß er stattdessen auf den Vogel und grinste, als er zu einer Wolke brauner Federn zerbarst.
    »So wird’s Gabe gehen.« Seine schmalen Lippen kräuselten sich höhnisch. »Und falls nachher einer Fragen stellt – er hat mich wie ‘n toller Hund angegriffen, so daß ich ihn aus Notwehr erschießen mußte.«
    Er fuhr weiter, über die Brücke nach Las Verdades hinein. Die Fremden waren hier gewesen, erkannte er, weil die ungepflasterten Straßen alle sauber gekehrt waren und alle Holzteile sämtlicher Adobehäuser frisch gestrichen glänzten, und weil er nichts anderes roch als den Duft von Kaffee und warmem Brot, als er am Café Esperanza vorüberkam.
    Diese herrlichen Gerüche ließen ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen, aber er blieb nicht stehen, um etwas zu essen. Die Pistole lag neben ihm auf dem Sitz, als er bei der Oase vorfuhr. Die Raststation wirkte auf den ersten Blick verlassen, und er dachte einen Augenblick lang, daß sich alle aus Angst vor ihm versteckten.
    Als er wachsam sitzenblieb, hinter dem Lenkrad zusammengeduckt, hatte er Zeit festzustellen, daß alle zerbrochenen Scheiben säuberlich ersetzt worden waren. Selbst die Spuren seiner Schüsse an den Wänden waren mit Verputz abgedeckt worden, kurzum, alles war so frisch getüncht und sauber wie der übrige Ort.
    Er griff nach der Pistole, als er den schlanken, schwarzhaarigen Jungen aus der Garage kommen sah, sich die öligen Hände an seinem Lappen abputzend. Es war Carmens Bruder Tony, der den gelben Cadillac mit einem sehnsüchtigen Lächeln anstarrte. Tony war immer schon wild auf Autos gewesen.
    »Tag, Sir! Auftanken?« Dann erkannte ihn Tony und ließ den fettigen Lappen fallen. »Casey James!« Er kam in die Einfahrt herausgerannt. »Carmen hat uns schon erzählt, daß Sie heimkommen!«
    Er hob seine Waffe, schußbereit, als er merkte, daß ihm der Junge nur die Hand schütteln wollte. Er versteckte die Pistole hastig; er war nicht gekommen, um Tony umzubringen.
    »Wir haben alle von Ihrer Begnadigung gelesen.« Tony grinste ihn an und strich bewundernd über die Flanke des blitzenden neuen Wagens. »Eine Gemeinheit, wie man Sie reingelegt hat, aber jetzt werden wir uns alle bemühen, es wiedergutzumachen.« Die glänzenden Augen des Jungen streiften über den Luxuswagen. »Soll ich ihn auftanken?«
    »Nein!« knurrte er rauh. »Gabe Meléndez – arbeitet der nicht mehr hier?«
    »Klar, Mr. James.« Tony zog sich hastig zurück, als hätte er sich an dem Wagen irgendwie die schmalen braunen Finger verbrannt. »Von
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