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Tiphanie – Feuer der Sehnsucht

Tiphanie – Feuer der Sehnsucht

Titel: Tiphanie – Feuer der Sehnsucht
Autoren: Marie Cordonnier
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Löcher. Ihr schriller, wilder Schrei übertönte das Brausen des Sturmes.
    »Neiiiin! Lasst mich los! Ich will das nicht!«
    »Süßer Herr Jesus! Du sprichst ja!«
    Maître Colman ließ sie vor Schreck fallen wie einen zu schweren Getreidesack. Tiphanie knickte mit einem Fuß in den Holzpantinen um und sank mit einem leisen Aufschrei vollends zu Boden. Scharfer Schmerz schoss durch ihren Knöchel und trieb ihr das Wasser in die Augen. Auch das noch!
    »Heilige Mutter Gottes! Was gibt es? Was hast du denn jetzt wieder angestellt, du nichtsnutziges Frauenzimmer!«
    Wie ein rächendes Unwetter tauchte Dame Loyse in der Küchentür auf. Ihr ganzer Zorn entlud sich ausschließlich über Tiphanie. Auch derjenige, der eigentlich dem dicken Wirt galt, der das Unglück verursacht hatte.
    »So reg dich ab, Weib!«, ergriff er wenigstens die Partei der Kleinen. »Hast du nicht gehört, dass ein Wunder passiert ist? Das Mädchen spricht!«
    »Ein Wunder? Pah!« Dame Loyse hielt nichts von solchen Ablenkungsmanövern. Sie durchschaute ihren gutherzigen Gemahl. »Das verwünschte Mädchen soll arbeiten und nicht plappern. Und was dich betrifft, Mann, in der Gaststube ist ein Weinhändler, der mit dir reden möchte. Aber lass dir nicht wieder dieses saure Zeug aus dem Süden aufschwatzen!«
    Tiphanie griff nach dem leeren Wäschekorb und humpelte zur Küche. Bei jedem Schritt kamen ihr die Tränen, aber sie versuchte tapfer, ihre Qualen zu unterdrücken. Sie hatte in den wenigen Jahren ihres Lebens bereits gelernt, dass sie nicht auf Hilfe hoffen konnte. Sie musste ihre Pflicht tun, wohin der Himmel sie auch verschlug.
    »Und nun zu uns, Stumme«, fuhr die Wirtin fort, sobald ihr Gemahl ins Haus gewatschelt war und sie nicht mehr schützen konnte. »Wenn ich dich noch einmal dabei erwische, dass du mit dem Herrn schäkerst, findest du dich auf der Gasse wieder, hast du mich verstanden?«
    Tiphanie hatte längst begriffen, dass dieses Haus nicht die Zuflucht sein würde, die sie sich ersehnte. Allein, was konnte sie tun? Unwillkürlich tastete sie nach dem hölzernen Rosenkranz, den sie Tag und Nacht unter dem Hemd bei sich trug.
    Mutter Elissas Stimme klang durch ihre Erinnerung: »Du wirst für dich selbst sorgen müssen, Tiphanie! Ich kann nicht mehr für dich tun, als dir die Entscheidung über deine Zukunft selbst anzuvertrauen. Betrachte es als dein Erbe. Du bist niemandem Rechenschaft schuldig, das ist mehr, als viele andere Menschen von sich sagen können! Du musst lernen, deine Stärke in dir selbst zu finden!«
    »Das Reisig! Meine Güte, wie oft muss ich dir das noch sagen! Hol das Reisig!«
    Tiphanie hinkte, so schnell es ging, hinter den Stall, wo die Reisigbündel und Holzstapel aufgeschichtet lagen. In ihrem Knöchel tobte der Schmerz, aber sie wollte nur eines: vor Dame Loyse fliehen. Wie sollte sie diesen Tag bloß überstehen?
    Als sie unter ihrer viel zu schweren Last zur Küche humpelte, verschwamm das Haus vor ihren Augen. Sie sah nicht einmal den Reiter, der soeben sein Pferd in den Hof lenkte. Auch Jannik de Morvan warf der humpelnden Gestalt mit dem dürren Gestrüpp keinen Blick zu. Alte und Arme mit Reisig auf den Rücken waren ein alltäglicher Anblick in den Städten der Bretagne.
    Er war in Gedanken bei den Befehlen des Herzogs, die er dem Stadthauptmann von Auray überbracht hatte. Die Stadt litt noch immer unter den Folgen der verheerenden Schlacht, die im vergangenen September vor ihren Toren stattgefunden hatte. Jetzt mochte nach außen hin Frieden herrschen, aber die Eingeweihten wussten, dass die endgültige Entscheidung noch ausstand.
    Jean de Montfort würde frühestens dann uneingeschränkt über seine Heimat herrschen, wenn es ihm gelang, den Wolf von St. Cado zu besiegen. Solange sich der Söldnerführer Paskal Cocherel in Freiheit befand, gab es keinen wahren Frieden. Aus diesem Grund mussten auch die Befestigungen von Auray vor den zerstörten Häusern aufgebaut werden. Eine Notwendigkeit, die der Stadthauptmann einsah, aber weniger die Bürger von Auray, die eine Protest-Delegation zu ihrem Herzog nach Rennes gesandt hatten.
    Immerhin gab diese diffizile diplomatische Aufgabe dem Seigneur einen Vorwand, nach dem kleinen Hänfling zu sehen, den er seltsamerweise nicht vergessen konnte. Der Gedanke an die stumme Nonne, die gleich einer blassen, reinen Kerze in dem zerstörten Kloster ausgeharrt und auf ihren Tod gewartet hatte, ließ ihm keine Ruhe.
    »Holla! Pferdeknecht!«, machte er sich
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