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Tiphanie – Feuer der Sehnsucht

Tiphanie – Feuer der Sehnsucht

Titel: Tiphanie – Feuer der Sehnsucht
Autoren: Marie Cordonnier
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gebetet und gefleht, dass ihre Stimme nicht mehr gehorchte.
    »Gütiger Himmel, musstest du mir das antun?«, wandte sich der Ritter griesgrämig an eine höhere Macht. »Plage ich mich dafür seit Tagen mit diesem jämmerlichen Geschöpf herum, damit wir am Ende feststellen, dass man es ins Kloster gesteckt hat, weil es stumm ist? Weil es niemandem zu Nutze ist?«
    Das bestätigende Nicken der scheuen Stummen besänftigte ihn seltsamerweise wieder. Er bändigte den lästerlichen Fluch, der sich auf seine Lippen drängte, und sah dem Unausweichlichen ins Gesicht. Von dieser jungen Frau würde er weder etwas über das Geheimnis des Klosters erfahren, noch genaue Auskunft über die Schandtaten Paskal Cocherels erhalten. Der gewissenlose Söldnerführer hatte die Spuren seines Verbrechens ebenso brutal wie geschickt getilgt.
    »Hast du Vater und Mutter? Verwandte, zu denen du gehen kannst?«
    Sie schüttelte den Kopf, und der Ritter kratzte sich ratlos am Kopf, ohne zu berücksichtigen, dass er sich damit die dunkelbraunen Haare wie ein Gassenjunge sträubte. Was sollte er mit diesem menschlichen Wrack anfangen, was er da in Sainte Anne aufgelesen hatte? Es dem Herzog bringen? Das arme Ding brachte keinen Ton heraus, also würde es sich in Rennes lediglich zu Tode fürchten. Ehe er aufbrach, musste er eine Lösung für die Kleine finden.
    »Hier, zieh das an, damit du aufstehen kannst!«
    Die Frau platzte in die einfache Kammer und warf einen Packen Stoff auf das Bett. Da sie sich weder durch übergroße Freundlichkeit noch durch christliche Nächstenliebe auszeichnete, nahm das Mädchen an, dass sie die Kleider dem Ritter zu verdanken hatte.
    »Es ist an der Zeit, dass du den Alkoven verlässt. Hast du dir schon überlegt, was du tun wirst? Du kannst nicht länger liegen blieben und dich bedienen lassen! Was hast du im Kloster getan? Warst du Magd oder Nonne?«
    Die energische Herbergswirtin stemmte die kräftigen Arme in die formlosen Hüften und musterte ihr Opfer aus hervorstehenden, wässrig blauen Augen. Jeder Zoll ein Vorwurf des Müßiggangs für die stille Gestalt, die sie aus großen erschrockenen Augen ansah.
    Die Tage der Ruhe und die kräftige Nahrung hatten sie dem Leben zurückgegeben. Aber wohin sollte sie gehen, wenn sie diesen Alkoven verließ, der ihr bisher Schutz und Zuflucht geboten hatte? Sie besaß keine Familie, die sie wieder bei sich aufnehmen würde. Es gab keine Menschenseele auf dieser Welt, die ihr Schicksal bekümmerte, und sie selbst wusste lediglich, was Mutter Elissa ihr mitgeteilt hatte.
    Man nannte sie Tiphanie, und sie war ein Findelkind, vor den Toren von Sainte Anne ausgesetzt. Damals musste sie drei oder vier Jahre alt gewesen sein und so erschrocken, geschockt und misshandelt, dass sie den Nonnen nicht einmal ihren eigenen Namen sagen konnte. Man hatte sie nach Epiphanias benannt, denn man schrieb den sechsten Januar, das Fest der Heiligen Drei Könige, als man sie fand.
    Die Gemeinschaft der Nonnen war ihr seitdem Mutter, Heimat und Familie gewesen. Die Mauern des Klosters waren ihr einziges Heim. Schon aus diesem Grunde hatte sie lieber dort sterben als in der Fremde leben wollen. Sie wusste nicht, wohin sie sich wenden sollte. Sich anzukleiden würde bedeuten, dass sie die Verantwortung für das eigene Leben übernahm. Aber niemand hatte sie gelehrt, wie man das tat!
    »Wenn du willst, kannst du als Magd bei mir bleiben«, fuhr die Wirtin mürrisch fort. »Seit der letzten Schlacht ist Frieden im Land, und der Handel regt sich wieder. Es kommen Schiffe in den Hafen, und die Kaufleute gehen auf Reisen. Es gibt eine Menge Arbeit in der Herberge, und ich könnte ein paar flinke Hände gebrauchen. Noch dazu, wenn du nicht schwatzt, wie es die anderen Frauenzimmer nur zu gerne tun ...«
    Magd in einer Herberge? Tiphanie machte sich keine Illusionen über die Wirtin dieses Hauses. Sie hatte im Kloster der heiligen Anna nicht viel über die Welt gelernt, aber sie hatte eine ausgeprägte Fähigkeit entwickelt, in Gesichtern und Gesten zu lesen.
    Diese hier suchte eine billige Arbeitskraft, die keinen Ärger verursachte, und sie war schon ein wenig erbost darüber, dass der Ritter so viel Aufhebens um eine halbverhungerte stumme Kleine machte. Sie würde ihr keine Muße gönnen und sie ausnutzen bis aufs Letzte, aber hatte sie eine andere Wahl?
    Gehorsam kletterte sie aus dem geschnitzten Kastenbett, das eigentlich für den Ritter gedacht gewesen war. Eine knabenhaft dünne Gestalt im
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